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Europe Central

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Titel: Europe Central Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William T. Vollmann
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es, was ihm wirklich wehtat, gab es da diesen ersten Anruf, dessen Fröhlichkeit ihn im Rückblick erschreckte, weil dieser Anruf ihn fröhlich gemacht hatte; weil er ihr geglaubt hatte. Daraus lernte er, dass er nie wissen würde, ob Elena ihn anlog.
    Er war ein toleranter Mensch, wirklich, und nicht nur er selbst schätzte sich so ein. Wie viele Menschen, die beruflich viel reisten, hatte er seinen Teil an Intermezzi erlebt und genossen; Beständigkeit hatte er in verschiedenen beiderseitig nicht-monogamen Beziehungen gefun
den, ganz nach der Sex-ist-wie-ein-Schluck-Wasser- Theorie der A. Kollantai; aber das waren ehrliche Beziehungen. Wenn Elena ihm von Anfang an gesagt hätte: Roman, ich möchte mit dir zusammen sein, aber ich werde weiter mit Dimitri Dimitrijewitsch schlafen, dann hätte er ihr Angebot annehmen oder ausschlagen können; er hätte gewusst, worauf er sich einließ. Hätte er eingeschlagen, hätten ihre Nächte mit Dimitri Dimitrijewitsch ihm vielleicht ein wenig wehgetan, aber das wäre sein Schmerz gewesen, den er sich selbst zufügte. Der Schmerz, den Elena ihm zugefügt hatte, war nicht seiner. Deshalb beinhaltete er (und dieses Wort hatte sie selbst verwendet) Verrat.
    Später kam ihm das Geschehene immer wieder in den Kopf. Er wünschte, er hätte sie gefragt: Hat Dimitri Dimitrijewitsch die ganze Nacht in deinem Bett verbracht oder ist er nach vollzogenem Beischlaf gegangen? Wollte er bleiben, und du hast ihn fortgeschickt, weil es dir schon leidtat, oder hast du dir gedacht, jetzt, wo ihr es schon getrieben habt, kann er auch über Nacht bleiben, und vielleicht machst du es noch einmal mit ihm?
    Fragen wie diese kamen ihm für sein Verständnis ihres Verhaltens äußerst wichtig vor, aber waren sie es wirklich? Wusste er nicht schon alles, was er wissen musste? Dieser andere Mann, Dimitri Dimitrijewitsch, war mit Elenas Einwilligung in sie eingedrungen, während sie angeblich mit ihm, Roman Karmen, zusammen war. Wie oft war er in sie eingedrungen? War er langsam in sie eingedrungen? War er sanft und zärtlich gewesen; hatte er Rücksicht auf ihr Lustempfinden genommen, war es ihm vielleicht sogar das Wichtigste gewesen? In diesem Fall war die emotionale Bindung der beiden noch viel gefährlicher. Oder hatte Dimitri Dimitrijewitsch es nur auf seine eigenen Bedürfnisse abgesehen? War Elena zum Höhepunkt gekommen? Während des Beischlafs, hatte sie da an einen gewissen Roman Karmen gedacht, oder, besser noch, hatte sie so getan, als läge sie bei ihm? Wenn nicht, wäre das sehr unschön. Andererseits, wenn doch, wie stand sie dann da?
    Er stellte ihr nie eine dieser Fragen, weil er sie nicht mit langen Verhören in die Enge treiben wollte. Er wusste nur zu gut, wie wichtig es für ihn in seinem Leben und für seine Arbeit war, sich alle Einzelheiten bildlich vorzustellen, bis ins kleinste Detail; im Fall von Elenas Untreue würde seine Rekonstruktion immer unvollständiger bleiben als jede so
fortige Dokumentation; er würde nie genug wissen! Man muss loslassen.
    14
    Er küsste ihr die Brustwarzen. Er wollte ihr sagen, dass ihre Brüste so weiß und süß seien wie Lebkuchen aus Wjasma, aber er hatte Angst, wenn er es tat, würde sie nur noch mehr fürchten, dass er sie auffressen wolle.
    Es ist einfach ein innerer Zwang, Roman, mehr nicht. Ich habe über mich nachgedacht, wie du es wolltest, und ich habe sogar mit anderen darüber gesprochen. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich normal bin und du abnormal bist.
    Aber das haben andere Frauen nie von mir gesagt …
    Vergleiche mich nicht mit anderen Frauen.
    Entschuldige.
    Elena blickte ihn auf ihre zart furchteinflößende Weise an, zündete sich eine Zigarette an und sagte: Weißt du, als kleines Mädchen war ich eine zwanghafte Onanistin. Ich war süchtig danach. Wenn ich nicht alle paar Stunden einen Orgasmus hatte, hielt ich es nicht aus. Ich brachte meine ganze Zeit damit zu, zu planen, wie ich wieder eine Viertelstunde allein sein könnte. Es war schrecklich. Irgendwann habe ich mich entwöhnt. Und ich will nie wieder dahin zurück!
    Ich möchte, dass du mich so sehr brauchst wie ich dich.
    Du willst, dass ich wieder unglücklich werde, wie mit Wera. Ich war schwach, ich war eifersüchtig. Sie konnte tun, was sie wollte, es war nie genug. Sie konnte mich nicht glücklich machen.
    Aber sie war dir untreu bis zum Dorthinaus! Sie war gemein zu dir! Und so bin ich nicht.
    Ich habe mir geschworen, dass ich nicht wieder damit anfange,

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