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auf dem Grab, hieß es – nur sein Helm.) Solange sie zurückdenken konnte, war sie ungern allein gewesen. Manchmal hatte sie nichts Besseres zu tun, als in der Illustrierten Signal zu blättern. Am meisten bewunderte sie an diesem General Wlassow, dass er eine Vision hatte, für die er fanatisch bis auf den Tod zu kämpfen bereit war. (Dieser Knabe hat in der Schlacht um Moskau den Hauptangriff auf unsere Heeresgruppe Mitte befehligt!, krähte Strik-Strikfeldt mit liebevoller Übertreibung.) Sie hatte so viel von seinen Fähigkeiten gehört – von seinem unerschütterlichen Willen, seinem Charisma bei Untergebenen, seiner Intelligenz und vor allem (denn wir Deutschen glauben, dass Kraft sich ihr eigenes Recht schafft) seinem Heldenmut auf dem Schlachtfeld. Sie wusste von seinem Rotbannerorden und dem Orden, den man ihm in China verliehen hatte. (Sie bewundern ihn doch auch, nicht wahr, Herr Strik?) Sie wusste sogar von seiner Frau in Moskau. Es hieß, dass er noch nicht hundertprozentig mit Deutschland kooperierte. Wer könnte Heidi verdenken, dass sie seine Verteidigungsstellungen aufbrechen wollte?
Sie sind ein biologisch wertvoller Mann, Andrej, sagte sie und schlug die muskulösen Schenkel übereinander. Sie sind ein Kämpfer, ein Sohn der Scholle. Sie verdienen zwei Frauen. Der Führer braucht Ihre Kinder …
Wlassow lachte, peinlich berührt. – Der Führer weiß nicht, dass er mich braucht …
Nun, dann hat man es ihm noch nicht gesagt. Aber hat er nicht Ihre Smolensker Proklamation gebilligt?
Er muss danach handeln, sonst ist die Ostfront nicht zu halten! Ich mache mir langsam Sorgen. Außerdem muss die Anzahl der Panzerbataillone pro Panzerdivision erhöht werden. Zum Glück hat man Guderian zum Generalinspekteur der Panzertruppen ernannt …
Heidi erhob sich und berührte seine Hand. – Ich glaube, Sie sind ein wahrer Nationalsozialist und wissen es nicht einmal. Sagen Sie mir eins. Was ist es, was Ihr Herz begehrt?
Für die Befreiung Russlands zu kämpfen.
Genau das hat mein Mann auch gesagt. Finden Sie mich schön?
Er wusste kaum, was er redete, als er murmelte: Mein Herz schlägt
schneller, wenn ich Sie ansehe, Fräulein Heidi … – Da Sie willens sind, für den Führer zu sterben, werde ich Ihnen willig geben, was Sie begehren.
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Natürlich konnte sie unmöglich glauben, dass sie in den Armen des Slawen einen Übermenschen würde züchten können, aber am Anfang ging es nicht einmal um Zuchtwahl. (Wlassow soll Gitarre gespielt haben, als er um sie warb. Er war immer lieb zu ihrer kleinen Tochter Frauke.) Die blonden blauäugigen-Männer, die zur Erholung hierherkamen und dann zum Sterben zurück an die Ostfront gingen, von denen konnte sie so viele haben, wie sie wollte. Vielleicht brauchte sie Abwechslung vom Schwarzbrot.
Ein wenig später, mit dem, was Himmler als Heydrichs »kühle kontrollierte Art« zu schelten pflegte, begann sie, über der Lektion aus Stalingrad zu brüten.
41 Ihre Rekonvaleszenten (die paar Glücklichen, die per Flugzeug aus dieser sogenannten Festung herausgebracht worden waren) konnten ihr nicht verschweigen, wie es wirklich gewesen war, besonders wenn sie weinend in ihren Armen lagen. Von General Wlassow abgesehen, bekamen inzwischen fast alle kalte Füße! – Sie haben Paulus volle Versorgung auf dem Luftweg versprochen, also verbot man ihm den Ausbruchsversuch, als die Panzer noch genug Treibstoff hatten, und die Russen schossen immer weiter und zogen den Ring enger … (Was erzählten ihre Schützlinge sonst? Wahrscheinlich nichts von den deutschen Gefangenenkäfigen und den russischen Epidemien, die sie mit Flammenwerfen heilten.) Also rollte Heidi die Karte aus und ihr Haustier, der Slawe, den sie im Scherz den demokratischen Volksjuden nannten, hielt ihr wie ein gutes Hündchen die sich wieder aufrollenden Ecken unten. Unterhalb von Leningrad kauerte die Fahne aus vier Rechtecken, zwei weiß, zwei schwarz: 18. Bolschewo, dann stand dort Korück 583, dann westlich davon Span. Legion, dazwischen-Nordlund, alle anscheinend geschützt von der schwarzen Frontverlaufslinie östlich der Küste des Finnischen Meerbusens unterhalb von Leningrad, die sich dann in Kurven und Zacken nach Südost und Südwest zog, hinunter Richtung Moskau. Aber ihre Soldatenjungs hatten ihr zugeflüstert, dass die Russen mit der Einführung homogener Panzerverbände begannen,
mit erst Hunderten, dann Tausenden dieser schrecklichen T-34. Sie konnten überall
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