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Europe Central

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Titel: Europe Central Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William T. Vollmann
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Sie wissen schon. Im Grunde wollte er vor allem einen schönen Mantel aus Kaninchenfell für Galischa auftreiben, solange er noch hier war, denn …
    Ganz leise legte er den Hörer wieder auf, nahm seine Aktenmappe mit der Zahnbürste, Unterwäsche zum Wechseln und ein paar Blatt Notenpapier, und dann stellte er sich ganz ruhig eine Stunde lang im Flur an den Fahrstuhl und wartete, damit seine Kinder nicht mitansehen müssten, wie er verhaftet wurde.
    3
    Am Tag, nachdem er die Jury dazu gebracht hatte, Rostropowitsch den ersten Preis im Allunionswettbewerb zu verleihen, läutete das Telefon. Es war, nun, Sie wissen schon. Das war noch schlimmer, als verhaftet zu werden. Sie wollte wissen, wie es ihm ging. Sie war ganz sanft. Leider konnte er nicht mit ihr sprechen; er konnte sogar kaum, nun, Sie wissen schon. Manche Dinge hören nie auf. Zum Glück waren Nina und die Kinder nicht zu Hause. Das wusste Elena bestimmt, deshalb hatte sie … Er krümmte sich zusammen und brach in Tränen aus.

Ekstase
    Eine weitere Eigenschaft des Poems: ein Zaubertrank, der in einen Kessel gegossen wird, dickt plötzlich ein und verwandelt sich in meine Biografie, betrachtet wie in einem Traum oder einem Spiegelkabinett … Manchmal sieht er durchsichtig aus und strahlt ein unerklärliches Licht ab (ähnlich dem Licht in den Weißen Nächten, wenn alles von innen heraus leuchtet) …
    – Anna Achmatowa (1961)
1
    Einmal hatte sie ihm gesagt, er solle sich glücklich schätzen, und er hatte ihr zugestimmt und gedacht: Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich dich gelegentlich sehen darf, aber das hatte sie nicht gemeint.
    Einmal wollte er ihr sagen, dass sie sich auch glücklich schätzen könne, weil sie von zwei Männern wirklich geliebt wurde, aber er konnte sich gerade noch zurückhalten: Seine Liebe war kein Glück für sie, denn sie und der andere Mann waren so viel besser als er.
    Dass er sie nicht anfassen durfte, verstand sich von selbst.
    Einmal fragte er sie in einem Brief, ob es denn wirklich keine Hoffnung gebe, und sie antwortete ihm, nein, ganz bestimmt nicht. Also fragte er sie noch einmal. Sie teilte ihm nachdrücklich, traurig und nicht ohne Wärme mit, dass es niemals auch nur ein kleines bisschen Hoffnung geben werde. Er tat ihr leid. Was ihn anging, er hoffte einfach weiter, erstens weil sie ihn immer wieder sehen wollte, manchmal ohne dass der andere Mann es wusste; zweitens weil sie anfangs zwar immer gemurmelt hatte sag das nicht, wenn er nicht mehr an sich halten konnte und ihr wieder seine Liebe gestand, nach einem Monat aber keine Widerworte mehr gab und nur auf den Restauranttisch oder in seine Augen blickte, mit unergründlicher Miene, und gleich wollte er ihr sein Leben zu Füßen legen, denn wie eine Gottheit hatte sie sein Gebet vielleicht nicht er-, aber doch gehört; drittens weil sie, als er nebenbei erwähnt hatte, dass er ein Tagebuch über jene fiktiven Jahre geschrieben und vernichtet habe, die sie gemeinsam in einem jener Häuser verbracht hatten, die wie schmale weiße Inseln in rechteckigen Mee
ren aus Birnbäumen schwammen – einem ganz bestimmten Haus, dem mit dem Türmchen, aus dessen Fenstern man einen Blick über den Damm hatte –, die Bemerkung fallen ließ, sie wünschte, sie hätte dieses Tagebuch lesen können; viertens weil sie ihm aus eigenem Antrieb erzählt hatte, dass sie vielleicht sehr glücklich miteinander hätten sein können, wäre sie dem anderen Mann nicht zuerst begegnet (obwohl sie sich in der Folge laut zu fragen begann, ob sie die richtige Frau für ihn gewesen wäre); und fünftens weil nicht zu hoffen für ihn wirklich nicht auszuhalten gewesen wäre. Dass er sich nicht von Nina scheiden lassen konnte, stand natürlich außer Frage.
    Sie war immer gut zu ihm. Sie belächelte seine Anbetung still. Wenn er fragte, was sie empfand, erwiderte sie: Ich empfinde, dass du schon alles verstanden hast.
    Seine Hoffnung machte ihn glücklich, und ihre Begegnungen machten ihn meistens sehr glücklich, auch wenn die Tatsache, dass er sie nie würde heiraten oder in die Arme schließen können, ihm die Brust manchmal so eng werden ließ, dass er in Schweigen verfiel und die Tränen nur mit Mühe zurückhalten konnte. In solchen Augenblicken versäumte er es nie, sie, die wirklich das Beste für ihn wollte und deren Güte den Schmerz, den er sich lächerlicherweise weiterhin selbst zufügte, weit übertraf, anzulächeln.
    Sie sagte: Es hat keinen Zweck, auf mich zu

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