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Europe Central

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Titel: Europe Central Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William T. Vollmann
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immer gewusst, dass es nur ein Film war; er war eilig wieder gegangen, weil Nina schwanger war; er gesellte sich zur dunklen Masse auf der anderen Straßenseite, der sicheren Seite, wo die Hausfassaden noch immer vielfenstrig waren und weiß. (Die kyrillische Schablonenschrift, Weiß auf Grau, lautete:.) Im Film ging er am Ende zurück auf die Seite, auf
die er gehörte. Die Filmmusik hatte er selbst geschrieben. Sie lag auf ihm, und er war in ihr, und ihrer beider Münder öffneten sich, und dann bildeten diese zwei beiden bleichen russischen Leichen offenmundig ihre eigene exklusive Gesellschaft, an einer Straßenecke, die vom Regen hell silbrig glänzte.
    Quellen
    Diese Geschichten orientieren sich weniger streng an historischen Tatsachen als mein Seven-Dreams- Zyklus. Hier ging es vielmehr darum, eine Reihe von Gleichnissen über berühmte, berüchtigte und anonyme Menschen zu schreiben, die sich in entscheidenden Augenblicken moralisch zum Geschehen in Europa verhalten mussten. Die meisten Figuren dieses Buches haben wirklich gelebt. Die Details ihrer Biografien habe ich so sorgfältig wie möglich recherchiert. Trotzdem handelt es sich um einen Roman. Sowohl den Figuren als auch den historischen Umständen, unter denen sie lebten (die aufs Gleichnishafte reduziert und dann hier und da mit Spinnweben des Übernatürlichen verziert wurden), wird hier hoffentlich poetische Gerechtigkeit zuteil. Um dies an einem besonders klaren Beispiel auszuführen, siehe meine Anmerkung gleich nach diesem Abschnitt: »Eine erfundene Dreiecksbeziehung: Schostakowitsch, Karmen, Konstantinowskaja«. Sollte ich die heute Lebenden beleidigt haben, möchte ich mich dafür entschuldigen; ich wiederhole: Dies ist ein Roman.
    Unter solchen Umständen wäre es eine Übung in kaltem Didaktizismus, über direkte Zitate hinaus Quellen anzuführen. Aber ich wollte bis ins kleinste Detail (wie zum Beispiel bis hin zum »Klang unserer Schritte, den ich liebte und noch immer liebe, trotz allem« [ 47 ] ) so genau wie möglich arbeiten und den auftauchenden historischen Figuren so gerecht wie möglich werden. Die Anmerkung, dass die hier beschriebenen Gesellschaftssysteme mit all ihren Institutionen und Gräueltaten ganz nach den historischen Quellen beschrieben sind, erübrigt sich vermutlich.
    Die Chronologie sollte jenen Lesern helfen, die mit manchen der Namen und Ereignisse in diesem Buch weniger vertraut sind. Mein Verleger hat mich überredet, sie zu streichen, der kriegsbedingten Papierknappheit wegen. Sie ist nicht zwingend notwendig, hätte vielleicht jedoch ein Licht auf ein paar Schauermomente deutsch-russischer Parallelitäten geworfen.
    Mit der militärischen Terminologie muss der Leser sich hier nicht weiter ab
geben, schon weil deren angebliche Genauigkeit im Zweiten Weltkrieg so oft illusorisch war. Die Anzahl der Soldaten einer Division oder eines Regiments war zum Beispiel nicht nur davon abhängig, ob es sich um ein deutsches, sowjetisches, rumänisches, italienisches etc. Regiment handelte, sondern auch davon, wie stark es ausgeblutet war. Im fortschreitenden Kriegsverlauf sank die Stärke der Einheiten häufig unter die offiziellen Vorgaben. (Ein Beispiel für Unvergleichbarkeit: Als der Angriff der Deutschen auf Moskau, das Unternehmen Taifun, im Winter 1941 zum Halten gebracht wurde, standen fünfundneunzig sowjetische Divisionen – achthunderttausend Mann – siebenundsiebzigeinhalb deutschen Divisionen – einer Million – gegenüber.) Nach verschiedenen Versuchen, Ihnen eine hübsche, kleine Tabelle aufzustellen, bin ich schließlich daran verzweifelt. Die Entsprechungen der Dienstgrade der beteiligten Streitkräfte waren weniger problematisch, aber auch hier mangelt es gelegentlich an Genauigkeit. Eines bedarf jedoch der Erläuterung: Im Sprachgebrauch der Achsenmächte und zumindest auch der Westalliierten bezieht sich der Begriff Front auf die unmittelbare Hauptkampflinie. Im sowjetischen Sprachgebrauch jedoch konnte Front einen militärischen Verband bezeichnen, ähnlich einer Heeresgruppe der Nazis. Im Großen Vaterländischen Krieg bildete die Sowjetunion ganz nach den gegenwärtigen Erfordernissen »Fronten« und löste sie wieder auf. Es existierten nie weniger als zehn und nie mehr als fünfzehn. Um Verwirrung zu vermeiden, habe ich mich bei der Verwendung des Begriffs im sowjetischen Sinn für Zusammenschreibung entschieden. Bei der Wolchowfront handelt es sich also um die »Gruppe der Roten Armee in der

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