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Eva Indra

Eva Indra

Titel: Eva Indra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bis aufs Blut
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Was hatte er nur vor? Wollte er etwa diese Türe, die gut dreieinhalb Meter in die Höhe ragte aufbrechen? Die Tatsache, dass er aber erneut auf die Türverankerung einschlug, zerstreute Annas Zweifel. Nun war sie sich
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    sicher, dass er tatsächlich diese Dreistigkeit besaß. Freilich trieb er es dabei wieder einmal zu weit, denn ungeachtet der frühen Morgenstunde trat er immer wieder wie ein Jiu-Jitsu Kämpfer mit seinem Fuß auf das Türschloss ein. Dass er dabei das ganze Haus aufwecken würde kam ihm wohl nicht in den Sinn, ebenso wenig wie die Tatsache, dass, sollte sie jemand bei ihrer Tätigkeit beobachten, sie die Polizei verständigen würden. Anna biss sich verzweifelt auf die Lippen. Wenn sie nur gewusst hätte, wer einen Zweitschlüssel von Lisas Wohnung hatte, könnten sie...
    Sie hatte ihren Gedanken noch nicht einmal zu Ende gedacht, als die untere Metallverankerung nachgab und ihnen den Weg in die Wohnung öffnete. Flink zwängten sie sich durch den Spalt und schoben die Türe von innen so gut es ging in die Verankerung zurück.
    Als hätte sie einen Schritt in die Vergangenheit getan, stand Anna mit offenem Munde in dieser Wohnung, in der sie mehr oder weniger ihre ganze Jugend verbracht hatte. Es war eigentlich das Appartement von Lisas Eltern gewesen, aber die waren inzwischen in ein Haus mit Garten in Grinzing gezogen und hatten Lisa diese Wohnung überlassen. Und dennoch schien sich nicht viel darin verändert zu haben. Der Parkettboden war wohl frisch eingelassen worden und die geschmacklosen Tapeten von damals waren durch einen weißen Anstrich ersetzt worden, aber ansonsten war alles beim Alten geblieben. Neugierig drang Anna weiter in die Wohnung vor. Ihr erstes Ziel führte sie in Lisas Schlafzimmer, denn sie hoffte insgeheim immer noch, dass Lisa vielleicht doch zu Hause wäre und nur die Klingel nicht gehört hatte. Alex hingegen hatte sich umgehend auf die Suche nach dem Buch gemacht, die ihn zunächst ins Wohnzimmer trieb. Überladene Bücherregale schienen seine ganze Aufmerksamkeit sofort in Anspruch genommen zu haben. Anna, nach deren Hilfe er nicht gefragt hatte, hatte sich währenddessen auf dem burgunderfarbenen Samtsofa niedergelassen. Neben ihr lag eine ramponierte Tageszeitung, es war die „Presse“ vom Vortag.
    Das bedeutete also, dass ihre Freundin noch gestern in der Wohnung gewesen war? Anna überlegte scharf, doch auch die ausgefallensten Ideen, wo sich Lisa aufhalten könnte, manifestierten sich nach und nach zu einer fatalen Grundidee, nämlich der, dass ihr etwas zugestoßen sein musste. Niedergeschlagen erhob sie sich und schlich in die Küche. „Mein großer Gott!“, stieß sie aus, als sie dort angekommen war. Ein gewaltiger Berg von Tellern bot sich ihrem Blick dar, auf denen sich verschimmelte Speisereste langsam vermehrten. Der Geruch von kaltem Fett waberte zäh in dem ungelüfteten Raum. Anna stand wie versteinert. Die Tageszeitung vom Vortag und die speiseverklebten Teller passten irgendwie nicht zusammen. Was hatte das alles zu bedeuten? Nach einer intensiveren Inspektion des Kühlschrankes, in dem sie nichts weiter als ein Glas Senf und ein steinhartes Stück Käse vorgefunden hatte, machte sie sich wieder auf den Weg ins Wohnzimmer. Alex hatte offensichtlich das Buch in keinem der Regale finden können, so dass er seine verbissene Suche nun an Lisas Schreibtisch fortgesetzt hatte. Fieberhaft öffnete er eine Schublade des Sekretärs nach der anderen. Er wirkte vollkommen erledigt und schien dennoch nicht zur Ruhe zu kommen. Woher nahm er nur all' diese Energie nach diesem Buch zu suchen? Bedeutete es ihm wirklich so viel? Und da fiel es Anna mit einem Male ein. Sie hatte es eigentlich bisher ganz und gar verabsäumt ihn zu fragen, warum dieses Buch für ihn so wichtig war.
    „Bist du sicher, dass du das Buch hierher geschickt hast? Ich kann es nämlich nirgendwo finden“, fragte Alex, der nun am Boden vor dem Altpapierkorb kauerte und darin wühlte.
    „Ja natürlich, was glaubst du denn.“
    „...und wo ist es dann, bitte? Vielleicht hat sich deine Freundin damit aus...“
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    „Nein, das würde sie nicht tun. Sie ist Fotografin, sie interessiert sich nicht für mittelalterliche Kunstbücher, es sei denn...“
    „Was...?“
    Anna zögerte. Sie war sich plötzlich nicht mehr so sicher. Es konnte gut sein, dass einer von Lisas Freunden - wie hieß er doch gleich - der Name wollte ihr einfach nicht

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