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Eva Indra

Eva Indra

Titel: Eva Indra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bis aufs Blut
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spielend.
    „Hast du eine Schere dabei?“
    „Ha!“, lachte Anna lauthals auf. „Sonst noch was! Natürlich habe ich keine Schere dabei. Du etwa?“
    „Nein, ich habe auch keine, aber ich habe ein Messer und einen Nagelzwicker - mit dem wird’s schon irgendwie gehen.“
    „Jetzt bist du vollkommen durchgedreht. Kommt überhaupt nicht in Frage!“ Aber Alex ließ nicht locker. Immer lauter wurde der Wortwechsel. Sie schrie ihn an, er schrie zurück, er versuchte es mit Vernunft und Logik, sie mit Mitleid und Emotionen. Sie redeten so und so, hin und her und hin und her, wiederholten sich, käuten wieder. Er fasste sie am Arm, sie stieß ihn wütend weg, dann wieder griff sie sein Hemd und riss ihn mit blitzenden Augen an sich. Er griff hart nach ihrer Hüfte, wollte sie wutentbrannt küssen - dieses unglaubliche Weib, das er so begehrte - und erntete statt dessen einen Schlag auf die Brust von ihrer Hand, die sich nach diesem Schlag an seinem Körper öffnete, sanft zu seinem Bauch hinab glitt, und sich dort quälend langsam von ihm löste.
    Lange später hatte Alex sie überredet und davon überzeugt, etwas tiefer in die Büsche hineinzugehen, damit niemand Verdacht schöpfen würde, falls in der einsetzenden Dämmerung doch noch ein Auto kommen sollte.
    „Nicht hier, da hab' ich gerade gepinkelt“, sagte sie und trieb ihn tiefer in die Büsche.
    Kurzum, anderthalb Stunden später und unzähliger Wutausbrüche seitens Anna, hatte sie halblanges Haar. Alex war selig, denn sie sah zunehmend weniger attraktiv aus.
    70

Eva Indra Bis aufs Blut
    Kapitel 12
    „Alex! Wach auf! Du musst einparken!“, sagte sie energisch und rüttelte ihn wach. Alex schreckte wie von der Tarantel gestochen auf. „Wir sind da!“, fügte sie erklärend hinzu. Anna hatte das Auto vor einer der wenigen freien Parklücken in der Kaiserstraße angehalten. Das Einparken hatte er ihr noch nicht gelehrt und Anna war viel zu erschöpft, um es nach dieser endlosen Autofahrt auch nur zu versuchen. „Wie spät ist es denn?“, fragte Alex und rekelte sich langsam aus dem Schlaf. „Kurz nach Mitternacht“, kam die Antwort und Anna stieg aus dem Auto. Sie streckte sich und sog einen tiefen Atemzug Heimatluft in ihre sonst nur nikotingewohnten Lungen, um darauf hin gleich aus ganzem Leibe zu husten. Neugierig blickte sie um sich. Doch in dieser Stadt war wohl in all’ den Jahren ihrer Abwesenheit wahrlich die Zeit stehen geblieben, denn diese ihr so vertraute Umgebung schien sich überhaupt nicht verändert zu haben. Dort hatte der Bäcker "Schlief" sein Geschäft und das schon seit Anna denken konnte. Als Kinder hatten sie sich immer über seinen eigentümlichen Namen lustig gemacht, aber er kämpfte erfolgreich gegen den Spott, indem er stets die frischesten Semmeln Wiens verkaufte. Weiter rechts lag dieses antiquarische Modehaus, an dem man schon vor Jahren lächelnd und kopfschüttelnd vorbeigeschritten war, weil es sich auf Stützstrumpfhosen spezialisiert hatte. Nicht zu vergessen der jüdische Juwelierladen unten in der Straße, der immer noch die gleichen Schmuckstücke in der Auslage zu haben schien. Anna wandte ihr Augenmerk wieder kurz auf das Auto und sah, wie Alex sich schlaftrunken auf den Fahrersitz fädelte. Nichtsdestotrotz hatte er den Wagen souverän und auf Anhieb in diese für Anna aussichtslos kleine Parklücke manövriert. Sie selbst hatte inzwischen die Straße überquert und stand nun - teils in Gedanken versunken, teils hilflos - vor diesem riesigen Gebäude und war einigermaßen ratlos. Offensichtlich war eine Hausverwaltung, die viel auf Diskretion hielt, irgendwann auf den glorreichen Gedanken gekommen, eine neue Sprechanlage einzubauen und alle Namen durch Wohnungsnummern zu ersetzen. Anna versuchte, ihr visuelles Gedächtnis zu aktivieren und sich zu erinnern, aber es war wie bei diesem Kinderspiel "Memory": Welches Plättchen sollte sie umdrehen, an welcher Glocke sollte sie läuten? Alex, der nun neben ihr stand, fühlte ihre Unentschlossenheit und wurde ungehalten.
    „Was ist denn?“, fragte er misstrauisch.
    „Nichts!“, schnappte sie zurück und drückte entschlossen auf die Klingel mit der Zahl fünf.
    „Bist du sicher, dass es die Richtige ist?“
    „Ja, verdammt noch mal. Aber weißt du, wie spät es ist? Sie wird nicht wach sein“, entgegnete Anna erbost und drückte erneut auf die Klingel - diesmal jedoch entschieden länger.
    „Hallo?!“, dröhnte eine verschlafene Stimme durch die

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