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Eva Indra

Eva Indra

Titel: Eva Indra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bis aufs Blut
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Alex – überhaupt war er mit den Fachausdrücken des Roulettes sehr bewandert, denn es war in all den Jahren zu seiner ureigenen Sprache geworden. Eine übereilte Schlussfolgerung manifestierte sich in seinen Gedanken. Sollte er gar der französischen Sprache fähig sein? Und noch viel interessanter - warum war ihm diese durchaus lobenswerte Fähigkeit an ihm noch nie aufgefallen? Er setzte ein schadenfrohes Grinsen auf. Brühwarm würde er sein neu entdecktes Talent Anna umgehend aufs Butterbrot schmieren!
    Nachdem Alex auf einem samtgepolsterten Sessel Platz genommen hatte, begutachtete er mit lauem Interesse seine Mitspieler. Doch dies sollte sich umgehend ändern, denn eine sehr gepflegte Frau um die Fünfzig saß ihm gegenüber und erweckte Alex' ganze Aufmerksamkeit. Ihre Blicke hatten sich auf Anhieb getroffen und schienen nicht mehr von sich lassen zu wollen, denn trotz ihres vorgeschrittenen Alters war Alex von ihrer Erscheinung gefesselt. Sie war groß gewachsen, mit langen blonden Haaren und wachen, tiefblauen Augen und wären da nicht diese vom Leben eingegrabenen Lachfältchen um ihre Augen gewesen, man hätte sie für Ende Dreißig halten können. Ihre Figur war sportlich und durchtrainiert, manche Zwanzigjährige könnte sich eine dicke Scheibe von ihr abschneiden. Diese reife Frau voller Selbstsicherheit und wunderbarer Weiblichkeit zog alle Blicke auf sich und sie erschien ihm wie eine Baccarablüte, die ihre ganze Schönheit in verschwenderischer Fülle ergoss. Sie war wahrhaft eine Erscheinung. Was sie jedoch an ihm fand, war Alex völlig schleierhaft. Er hatte sich bemüßigt gefühlt, sich etwas in Schale zu werfen, denn er hatte gehört, dass man in einem europäischen Kasino viel Wert auf eine gewisse Etikette legte. Dazu kam, dass er trotz der Tortouren, die er bisher auf sich genommen hatte um dieses Buch in seinen Besitz zu nehmen, etwas Sonne abbekommen hatte. Nichtsdestotrotz beantwortete dies nicht Alex’ eigene gestellte Frage, warum ihn diese Frau mit einem herzerweichenden, hinreißenden Lächeln anblickte. Was bedeutete dieser eindringliche Blick?
    Doch die Antwort sollte Alex verborgen bleiben. Mehr noch, mit Anmut und Klasse saß sie ihm gegenüber, ihre Ellbogen nur leicht an die Kante des Tisches gelehnt und dabei strahlte sie eine wohltuende Ruhe aus, die dadurch unterstrichen wurde, dass sie sich kaum bewegte. Ja, Alex schien es fast, als würde ihre einzige Bewegung darin bestehen zu atmen und diese Kugel in dem Trichter mit der abgeklärten Nonchalance einer Katze zu verfolgen, die genau wusste, dass die Maus ihr nicht würde entrinnen können. Ihr schon fast unverschämtes Lächeln, das sie ihm geschenkt hatte, hatte er verlegenen Blickes schließlich erwidert. Dass er sich aber gleich daraufhin wieder von ihr wandte wie ein verschämter Teenager, beschäftigte Alex. Es war ihr Blick, ihre eindringliche Art und Weise des Schauens, die Alex irritierten und ihn zwangen, immer wieder zu ihr zu schauen, um dann gleich wieder wegzusehen, weil er mit seinen Augen buchstäblich gegen ihren klaren, durchdringenden Blick prallte. Abgesehen davon hatte er natürlich sofort erkannt, dass sie eine professionelle Spielerin war und
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Eva Indra Bis aufs Blut
    das nicht nur weil sie stapelweise Jetons vor sich in kleinen Türmchen aufgebaut hatte und Bemerkungen über den Spielverlauf in ein kleines rotes Buch notierte, sondern auch, weil man ihr auf Anhieb anmerkte, dass sie dieses Ambiente liebte.
    Der Saladier hatte die Jetons feinsäuberlich nach Größen geordnet, währenddessen der Chefcroupier „Faites vous jeux“ verkündet hatte. Alex setzte ein Cheval, indem er zwei Jetons zwischen die Trennungslinie von nur zwei Zahlen plazierte. Die gewonnene Menge an Chips hatten sein Selbstwertgefühl gesteigert. Zur seiner Überraschung hatte die Dame ihm gegenüber seinen Zug nachgesetzt, indem sie einfach zwei Jetons auf die seinen gesetzt hatte. Sie flirtete also hemmungslos mit ihm. Das war selbst Alex aufgefallen, der grundsätzlich in diesen Fragen immer etwas auf der Leitung stand. Wusste sie gar, dass es für Alex keinen sinnlicheren Spielzug gab, als diese Paarung von zwei fremden Jetons auf ein und derselben Zahl? Es war die Anhäufung von existentiellen Emotionen, die zwei Fremde für nur einen kurzen Augenblick ihres Lebens zusammenschweißte und die Alex reizte. Darüber hinaus hatte sie ihm ihr Schicksal achtlos vor die Füße geworfen, hatte sich schier fallen gelassen

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