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Eva Indra

Eva Indra

Titel: Eva Indra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bis aufs Blut
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wahrscheinlich. Durch die gemeinsame Körperwärme hatten sie wohlmöglich die Decke von sich geschoben, sie nur noch um die schönen Beine geschlungen. Vielleicht lagen sie ja eng umschlungen oder auch nur die Hand im Schlaf vertraut auf den nackten Bauch der anderen gelegt. Schon alleine diese unbestätigte Vermutung erregte ihn und er spürte, ein solcher Anblick würde ihm den Verstand rauben vor Verlangen. „Du bist verrückt", hielt er sich zurück, als seine Hand schon auf der Türklinke lag, denn selbst wenn er die beiden wirklich so finden würde, wären sie doch aus ihrem Tiefschlaf gerissen, wahrscheinlich auch grantig, würden ihn hochkant aus dem Zimmer werfen, nicht ohne ihn vorher in peinliche Erklärungsnot gebracht zu haben, warum er gerade jetzt - mitten in der Nacht - hier auftauchte.
    Hatte Lisa ihre Handtasche möglicherweise in der Küche abgelegt? Eigentlich unwahrscheinlich, denn weder Anna noch Lisa waren der Typ Hausmütterchen. Der Zustand von Lisas Küche hatte Bände gesprochen. Er versuchte es trotzdem, denn Frauen handeln generell unlogisch, aber er fand nichts. Von dem besagten Schlafzimmer abgesehen war das Wohnzimmer seine letzte Chance und tatsächlich, dort lag sie scheinbar achtlos auf der Couch. 'Unlogisch', schoss es ihm durch den Kopf, weiblich eben. Er sollte wirklich aufhören zu versuchen, die Frauen zu verstehen, denn es war sowieso ein hoffnungsloses Unterfangen, dachte er bei sich, während er die Geldscheine zärtlich faltete und in seine Hemdentasche schob. Der Gedanke an die beiden Freundinnen begleitete ihn, als er sich wenig später klammheimlich aus dem Haus stahl, um ins Kasino zu gehen.
    Die Kugel hüpfte angriffslustig von Zahl zu Zahl in diesem Kessel aus siebenunddreißig Zahlenfächern. Sie wusste über ihre Wirkung, die sie auf die Spieler ausübte. Doch hier hatte sie es nicht mit irgendeinem Dilettanten zu tun, nein, hier war ein wahrhafter Könner am Werk. Ein Mann, der seine letzten acht Jahre mit nichts anderem verbracht hatte, als sich mit der Launenhaftigkeit einer Kugel zu beschäftigen. Eine Dreiertransversale kam in 8,1% aller Fälle vor. Diese Tatsache gepaart mit derjenigen, dass Alex diesen Tisch und dessen Zahlenreihenfolge mindestens eine halbe Stunde lang beobachtet hatte, konnte eigentlich nur Gutes verheißen. Aber wie oft hatte er sich schon durchschnittliche Werte über die Häufigkeit des Erscheinens einer Zahl ausgerechnet, war in fast schon pedantische, mathematische Höhenflüge dabei geraten, um erst recht wieder Haus und Hof zu verlieren.
    Kurz vor dem Einklinken der Kugel in einen Zahlentrichter wandte Alex seinen Blick von dem Teufelskessel ab. Er konnte es einfach nicht mit ansehen! Statt dessen nahm er seine Zigarette hinterm Ohr hervor und zündete sie an.
    „Vingt. Noir“, verkündete der Croupier mit einer wohlklingenden Stimme. Alex fiel die glimmende Zigarette aus dem Mund auf diese kokelte ein schwelendes Loch in den Filz. Aber er merkte davon nichts, hatte die Kippe völlig vergessen. Ein Spieler neben ihm, der dieses Mal falsch gesetzt hatte, räumte kopfschüttelnd den Feuerherd vom Tisch und zertrat den gerollten Tabak mürrisch auf dem Boden. Mein Gott! Oh, mein Gott – ich habe gewonnen! Alex strahlte übers ganze Gesicht und das tat er so unermesslich übertrieben, als wäre er der Hauptdarsteller für Werbeaufnahmen einer
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    neuen Zahnpasta im Hauptabendprogramm. Anderseits war es ihm irgendwie peinlich, dass er sich, so für jedermann sichtbar, über diesen Gewinn gefreute hatte, denn grundsätzlich war er eher einer von den coolen Pokerface-Spielern. Absoluten Anfängern, die in einen fast schon übertriebenen Jubelschrei ausbrachen nachdem sie gewonnen hatten, hatte er von je her nur halbherzig zugelächelt. In Wahrheit aber hatte er sie bisher immer noch verachtet.
    Der Croupier hatte die Jetons mit dem Rateau vom Tisch gerecht, damit kurz auf Alex' Chip geklopft, um ihm sogleich seinen Gewinn, nämlich das 11-fache seines Einsatzes auszuzahlen. Alex hatte die Jetons entgegengenommen und dem Drehcroupier lässig ein Trinkgeld „Pour les employés“ zugeworfen, ehe er mit überheblicher Genugtuung an dem Roulettetisch Platz genommen hatte. Den Jeton auf der ebengewonnenen Dreiertransversale hatte er selbstvergessen liegen gelassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Zahl 20 nochmals fallen würde, war nämlich durchaus sehr hoch. Doublette nannte man dieses Phänomen. Das wusste

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