Eva Indra
in der Wohnung, um sicherzugehen, dass er nichts vergessen hatte.
Lisa jagte ihm tollwütig hinterher. Ihr Gesicht war mittlerweile knallrot geworden. Kleine Haarsträhnchen hatten sich unwillkürlich aus dem sonst so makellosen gebundenen Knoten gelöst und ihr Blick war dem einer Epileptikerin gleich.
„... ich... ich fasse es nicht, dass du...“, stotterte Lisa, ohne die richtigen Worte finden zu können.
„Lass dich doch mal ordentlich durchficken! Dann geht’s dir besser, glaub’ mir!“, schlug Alex vor und warf einen prüfenden Blick in Lisas Schlafzimmer.
„Ha! Das hättest du wohl gern! Möchtest wahrscheinlich auch noch dabei sein, damit du dich daran aufgeilen kannst, du... du...“
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Eva Indra Bis aufs Blut
„Mmmh!“, schnurrte Alex. „Ja, dagegen hätte ich sicherlich nichts! Aber wenn du willst, erledige ich das auch gleich selbst... Das willst du doch eigentlich! Deshalb regst du dich so über mich auf! So ist es doch, nicht wahr?“, konterte Alex und griff Lisa grob beim Handgelenk.
„Hilfe!“, schrie Lisa hysterisch! Anna! Anna, der will mich...“, rief sie aus voller Kehle, aber ihre Worte sollten umgehend verstummen, denn Alex hatte sie leidenschaftlich auf ihren Mund geküsst.
Hatte sie Lisa um Hilfe schreien hören?, dachte sich Anna, als sie die Dusche abgestellt hatte. Sie lauschte. Doch sie hörte keine Schreie, hörte eigentlich überhaupt nichts. Hab’ mich wahrscheinlich geirrt!, dachte Anna weiter und trocknete sich sorgfältig ab. Immer noch über ihr zukünftiges Leben sinnierend, cremte sie ihren makellosen Körper ein, kämmte ihr Haar und nahm verstohlen einen Spritzer von Lisas Parfüm. Sie würde es nicht merken, man roch sein eigenes Parfüm nämlich nie selbst. Mit einem Badetuch um den Körper gewickelt trat sie aus dem Bad heraus und wunderte sich immer noch über die Stille, die nun in der Wohnung herrschte. War Alex schon fort?
Anna schritt umgehend in die Küche. Keine Menschenseele.
Dann ins Wohnzimmer. Dort war auch niemand vorzufinden.
Sie warf einen Blick in Lisas Schlafzimmer. Ihr Schritt erstarrte in der Bewegung. Ihr Herz blieb stehen. Ihr Mund war der Sprache und der Lautfähigkeit nicht imstande und ihr Blick war auf dem großen Doppelbett einfach regungslos hängen geblieben und versuchte die Bilder an die anderen Organe weiterzugeben. Aber es kam nicht dazu. Anna blieb versteinert stehen, ihre Muskeln verkrampften sich und ließen vom Handtuch los, das federleicht und leise zu Boden fiel.
Alex und Lisa schienen sie vollkommen zu ignorieren oder schlimmer noch, hatten sie ihre Anwesenheit gar nicht erst bemerkt? Welch ein prägnanter Moment im Leben einer Frau! War dies der Augenblick, in dem man einfach reagiert wie es die eigene Natur verlangt? Man tötet, man weint, man stürmt aus dem Zimmer? Annas Gefühle fuhren mit ihr Achterbahn! Hatte sie nicht erst vor ein paar Tagen genau diese Emotion mit sich durchgehen lassen? Hatte sie nicht gerade eben erst aus Eifersucht gemordet? Sollte sie gar zur Massenmörderin werden? Sie sah schon die Schlagzeilen! „Massenmörderin wieder zugeschlagen! Tötet aus Eifersucht ihre beste Freundin und ihren Geliebten“! Was sollte sie tun? Komisch, aber sie wusste es wirklich nicht! Nicht einmal Tränen kullerten diesmal an ihren Wangen herab, selbst diese ließen sie gerade jetzt im Stich!
Handlungsunfähig ließ sie die Bilder vor sich abziehen. Es wäre ein drittklassiger Film gewesen: Die Handlung einfach, der Höhepunkt kalkulierbar und das Ende... wahrscheinlich weder theatralisch noch weltbewegend, hätte sie nicht...
Hätte sie nicht die beiden Hauptdarsteller so gut gekannt. Dadurch wurden aus diesen Bildern Emotionen und aus diesen Emotionen wiederum Gedanken. Anna ließ sich unvermutet fallen in diesen Cocktail aus Bildern, Emotionen und Gedanken, der sich unverhofft zu einem Aphrodisiakum verwandelt hatte. Ein Liebeselixier, das Anna nun zur Voyeurin gemacht hatte. Ein agiler Männerkörper verkeilt in weit gespreizte Beine, nackte, feuchte Schenkel mit zuckenden Muskeln, rhythmische kreisende Bewegungen, tiefe Atemzüge, speichelgetränkte Zungenküsse, ein hochgeschobenes Sommerkleid, eine nur bis zu den Knien abgestreifte schwarze Hose, Stöckelschuhe, ein zerrissener Slip, ein heruntergezogener BH, eine freigelegte Brustwarze, lange wellige Haare auf weißen Laken... und dann... dann dieser eindringliche Blick, der eben noch lustverzerrt starr auf Anna hängen blieb.
Ihre Augen
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