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Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme

Titel: Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesca Melandri
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Indem sie in dieser besonderen Nacht rund fünfzig Strommasten in die Luft sprengten, sandten die Attentäter eine unmissverständliche Botschaft aus: Die Südtiroler fühlten sich nicht als Italiener, seien keine Italiener und würden auch nie Italiener werden.
    Aus den Tageszeitungen erfuhren die Leser in Rom, Mailand, Palermo oder Turin von der Existenz einer Südtiroler Frage, von der bis dahin noch niemand gehört hatte.
    Dieser erste Sommer im Hotel war also nicht nur für Gerda eine Feuertaufe. So wie das ganze übrige Südtirol auch, das nun plötz lich Kriegsgebiet war, befand sich Meran in einem Belagerungs zustand. Straßensperren, Ausgangssperren, Ringfahndungen. Ins gesamt fünfzehntausend Einsatzkräfte – Polizisten, Soldaten, Carabinieri, Angehörige der Finanzpolizei – wurden aufgeboten mit ihren Mannschaftswagen, Motorrädern, auch Hunden. Die wenigsten waren Berufssoldaten, es überwogen junge Wehrpflichtige. Mit großen Seesäcken, Schiffchen auf dem Kopf, das Fernglas um den Hals rückten sie an, Sizilianer mit arabischen Gesichts zügen, Bergamasker mit Segelohren, Toskaner mit etruskisch hel len Augen. Und alle schauten sie auf Gerda.
    Und sie schaute zurück. Manche Soldaten kamen ihr gar nicht so anders als die Jungen in der Kleinstadt vor, in der sie aufgewachsen war, als ihre Cousins und Schulkameraden. Die Alpini aus dem Friaul zum Beispiel bewegten sich mit diesem etwas steifen Gang, wie er für Leute typisch sein mochte, die aus Gegenden mit Felsen, Wäldern und Bergen stammen: Ihr Vater Hermann ging genauso und Peter auch. Und manche Mienen, zusammengekniffene Lippen in Gesichtern mit kindlich strahlenden Augen, wirkten ebenfalls vertraut auf sie: Auch hier in den Bergen machten die Menschen, wenn die Emotionen überhandnahmen, den Mund fest zu, während der Blick offen blieb, so, als flehe man darum, vom Schweigen erlöst zu werden. Andere, südländischere Körperhaltungen waren neu für sie. Dieses sanfte, fast feminine Sich-in-den-Hüften-Wiegen, die blitzartigen Bewegungen aus dem Handgelenk, eine Art zu lächeln, die nichts, vor allem sich selbst nicht, ernst nahm, all das gab es nicht bei den Männern, die sie kannte. Sie hatte auch noch nie zuvor gesehen, dass zwei Männer so selbstverständlich, fast kör perlich aufeinander eingestimmt, Seite an Seite gingen wie man che paarweise patrouillierenden süditalienischen Soldaten. Und dann erst ihre Komplimente! Bis an die Zähne bewaffnet und sicher nicht ohne Angst, leisteten diese jungen Soldaten ihren Wehrdienst in einem Gebiet ab, wo ein Frontalangriff auf den Staat erwartet wurde. Und dennoch waren sie noch locker oder auch unbedarft genug, um zu einem blonden Mädchen im Dirndl, einer »Deutschen« also, »Sei bellissima!« , du bist wunderschön, zu sagen und sie damit, trotz der Umstände, zum Lächeln zu bringen. Sie hatten Samtaugen und lange Wimpern wie kleine Mädchen, und trotz ihrer Uniformen und Waffen schafften sie es einfach nicht, sich ständig martialisch zu geben.
    Aber es gab auch andere. In einem Hotel, nicht weit von dem entfernt, wo Gerda arbeitete, hatte sich ein ganzes Bataillon des neuen Einsatzkommandos ( Celere ) einquartiert, das Innenminister Scelba aufgebaut hatte. Die Komplimente dieser Soldaten machten Gerda Angst. Es waren Männer, die auf die Einheimischen herabschauten mit einem Blick, der sagte: Wir sind da, um die Dinge wieder gerade zu richten, die seit dem Ende des Faschismus aus dem Ruder gelaufen sind. Für sie waren alle Südtiroler Terroristen, schon allein weil sie deutsch sprachen. Für sie war Alto Adige italienisch, und wer Italien nicht mochte, sollte doch abhauen.
    Die meisten Polizisten und Soldaten in Meran aber waren einfach junge Männer, denen mehr daran lag, gut zu essen und mit einem Mädchen zu schlafen, als zu schießen. Eines Tages sah Gerda an einer Straßensperre, wie ein Kameramann den Einsatz der Streitkräfte im Dienste der Nation fürs Fernsehen festhielt. Als der junge Soldat, auf den er das Objektiv gerichtet hatte, merkte, dass er gefilmt wurde, unterbrach er die Kontrolle des Wagens neben ihm, hob die Hand, in der er seine halb automatische MP hielt, zur Kamera und winkte. Diese Geste war für Gerda wie eine Offenbarung.
    Obwohl also die Touristen in jenem Jahr aus verständlichen Gründen ausblieben, wurde in den großen Hotels die Arbeit nicht knapp. Zentnerweise Spaghetti, Maccheroni und Polenta wurden den ganzen Sommer über täglich in ihren Küchen

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