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Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme

Titel: Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesca Melandri
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Kontinent, auf dem sie landeten, war der ungepflasterte Platz vor den Häu sern Schanghais. Und erst als sie dort lagen, auf diesem feuchten, schattigen Flecken der Vorstadt, den nur im Sommer Sonnenstrahlen erreichten, wurde ihre ärmliche, unbeseelte Natur wieder offenbar.
    Ohne seiner Tochter ins Gesicht zu schauen, deutete Hermann mit dem Finger hinaus auf den Platz vor seiner Tür, auf dem nun Gerdas Kleider lagen, die sie auf dem Mittwochmarkt kaufte, ihre saubere, doch schon zu lange getragene Unterwäsche, ihre Wollstrickjacken …
    »Aussi« , sagte er.
    Und Gerda ging hinaus.
    Mit einem nicht lauten, aber endgültigen Schlag schloss sich die Haustür hinter ihr. Sie bückte sich und begann, ihre Sachen einzusammeln und in den Koffer zu stopfen, hob ihr bestes Stück vom Boden auf, ein grün-weißes Hemdblusenkleid, das sie sich selbst nach einem Schnittmuster genäht hatte. Da es die Taille betonte, konnte sie es seit Monaten nicht mehr tragen. Sorgfältig klopfte sie den Staub ab, bevor sie es in den Koffer zurücklegte.
    Drinnen in dem Haus, das sie nie mehr betreten sollte, hörte Gerda, wie der Mann, der bis vor wenigen Augenblicken noch ihr Vater gewesen war, die Wand mit kräftigen Schlägen bearbeitete oder vielleicht auch den Fußboden oder den Tisch, jedenfalls ohne dabei irgendeinen Laut, noch nicht einmal ein Stöhnen, von sich zu geben.
    Das Gebäude der Opera Nazionale Maternità e Infanzia , des Nationalen Hilfswerks für Mutter und Kind in Bozen, lag etwas außerhalb, nicht weit von dem Stahlwerk entfernt, wo man Peter nicht hatte anstellen wollen. Es war ein Triumph gerader Linien und rechter Winkel, solide, urfaschistisch; selbst die Hecken im Garten ließen keine Abweichungen zu. Von dem Talvera, der an dem Anwesen vorüberfloss, war nichts zu sehen wegen der hohen Mauer, die den Garten von der Straße trennte. Die Schwester Pförtnerin ließ Gerda herein und schloss das schwere Eisentor hinter ihr auf eine Art und Weise, die keine Zweifel zuließ: Wer hier eintrat, tat dies nicht aus freien Stücken, sondern weil ihm keine andere Wahl mehr blieb. Sie führte Gerda durch die breiten Flure bis zu einem leeren Schlafsaal, in dem es nach gekochtem Gemüse und Hühnerbrühe roch: Im Refektorium wurde gerade das Mittagessen aufgetragen.
    Mit ihrem notdürftig geschlossenen Koffer in der Hand – der Aufprall hatte ein Scharnier beschädigt – war Gerda zwei Wochen vor dem errechneten Termin in dem Heim eingetroffen. Doch Eva, von Anfang an recht zielstrebig, beschleunigte die Dinge. Während Gerda noch damit beschäftigt war, ihre Kleider in den Spind zu räumen, fuhr ihr ein heftiger Krampf in den Unterleib. Verwundert blickte sie durch die hohen Fenster hinaus, als ließe sich der Grund dafür im Garten finden.
    Die Schwester Pförtnerin neben ihr, die ihr gerade die Vorschriften und die Tageseinteilung in der Einrichtung erläuterte, merkte sofort, was los war. So waren sie alle, die jungen Mädchen: Wenn es so weit war, reagierten sie verblüfft, als hätten sie es bis dahin gar nicht richtig geglaubt. Als der zweite Krampf kam, schaute Gerda nicht mehr aus dem Fenster, sondern zu Boden, zwischen ihre Füße, und ihr entfuhr ein leises Stöhnen.
    »Jetzt jammert ihr, aber vorher hat es euch gefallen«, sagte die Nonne, jedoch ohne Groll oder moralische Verurteilung. Eher wie die bloße Feststellung einer Tatsache, die sie selbst in jahrelanger Erfahrung beobachtet hatte und die zu leugnen so sinnlos wäre wie ein Versuch, die Wehen aufhalten zu wollen.
    Die Augenfarbe der Hebamme war wie die von Wasser in einem Behälter aus dickem Glas. Eine blonde Haarsträhne war ihrer Haube entwischt, schweißnass, als sei sie es, die gebären sollte. Am Kittel über ihrer üppigen Brust steckte der »Stern der Güte«, der ihr einige Monate zuvor anlässlich des »Festes für Mutter und Kind« für ihre verdienstvolle Arbeit verliehen worden war. Während der Feierstunde waren an hundertvierzig ledige Mütter und ihre Kinder Geschenkpakete überreicht worden.
    »Pressen!«, forderte sie Gerda auf.
    Gerda, die gerade in einer Wehe versank, reagierte nicht. Die andere Nonne, eine Krankenschwester, ließ die Zunge gegen den Gaumen schnalzen. Sie war klein und dunkel wie der Kern einer Wassermelone und trug einen gestärkten Schleier, der wie ein Schwanenflügel aussah und nur am Hinterkopf ihre schwarzen Haarwurzeln erkennen ließ.
    Voller Verachtung sagte sie zur Hebamme:
    »Noch nicht mal ›pressen‹

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