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Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme

Titel: Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesca Melandri
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sich da fröhlich Vitos melodiöse Stimme ein, »sie ist noch wach, meine kleine Sisiduzza. Er ist neben mir aufgetaucht, und seine Augen lachen und haben mich lieb. Um leichter einschlafen zu können, nehme ich seine Hand und drücke sie fest. Doch der Eurostar rast am Kopfende meines Bettes vorüber und weckt mich mit lautem Rattern …
    Ein hartnäckiges, metallisches Klacken weckt mich auf. Das Leiterchen, das mir der Liegewagenschaffner als Diebstahlsicherung zu verwenden gezeigt hat, schlägt gegen die Klinke neben meinem Kopf.
    »In zwanzig Minuten erreichen wir Rom«, ruft eine Männerstimme auf dem Gang.
    An den Bahnhof in Florenz habe ich keine Erinnerung, ich muss also doch irgendwo im Apennin eingeschlafen sein. Meine Augen sind geschwollen und meine Hände steif nach dem brüsken Erwachen. Lange fuhrwerke und klappere ich herum, bevor ich mich aus der Gefangenschaft durch die Leiter befreien kann. Kaum habe ich die Tür ein wenig geöffnet, zieht mir schon der Duft frisch gebrühten Espressos entgegen. Mit schuldbewusster Miene reicht mir der Schlafwagenschaffner ein Plastiktässchen.
    »Tut mir leid, der ist sicher zu kalt geworden. Aber ich mache Euch auch gern einen neuen …«
    »Nein, nein, machen Sie sich keine Umstände …«, antworte ich, während ich den Kaffee entgegennehme.
    Ich bekomme noch ein Tütchen Zucker und das weiße Plastikstäbchen zum Umrühren.
    »Danke …«
    Mit einem Schluck kippe ich den Espresso hinunter und wische mir mit dem Handgelenk über die Lippen. »Genauso macht es deine Mutter auch«, hat Ulli einmal zu mir gesagt, und ich nahm mir vor, mir die Lippen fortan wie alle Leute nur noch mit den Fingern sauber zu wischen, aber das fällt mir immer erst ein, wenn es bereits zu spät ist. Mit einer Hand noch vor dem Mund schaue ich den neapolitanischen Liegewagenschaffner wie durch einen arabischen Schleier an.
    Er betrachtet mich mit ernster Miene. Er hat eine etwas niedrige Stirn, doch sein wellenförmig geschwungener Mund erinnert an das Meer im Süden. Dynamisch ragt sein Nacken aus dem himmelblauen Hemd der italienischen Eisenbahn hervor, er hat breite Schultern, wie ich es mag, und die zupackenden Hände eines Mannes, der sich auf Motoren, auf häusliche Reparaturarbeiten und auf Frauenkörper versteht. Ich bin um einiges größer als er. Noch hat keiner von uns beiden den Blick vom anderen abgewandt. Seine Augen wirken verschleiert, wie von einer plötz lichen Traurigkeit getrübt. Oder ist es Begehren? Meine Atemzüge werden jetzt tiefer, die seinen auch.
    Und ich erwische mich bei dem Gedanken: Seit elf Jahren bin ich jetzt treu, aber nicht Carlo, sondern seiner Frau. Warum sollte ich sie nicht mit einem so zuvorkommenden Liegewagenschaffner betrügen, der die Situation nicht ausgenutzt hat und bereit ist, mir einen neuen Espresso zu machen, weil der erste kalt ge worden ist?
    »Danke …«, sage ich, indem ich ihm die leere Tasse reiche. Er nimmt sie entgegen, darauf bedacht, meine Finger nicht zu berühren.
    »Ich werde mich dann ein wenig zurechtmachen«, sage ich und mache Anstalten, wieder im Abteil zu verschwinden.
    »Das habt Ihr doch gar nicht nötig«, antwortet er und deutet mit seinem schönen Perlenfischermund ein Lächeln an.
    »Danke«, sage ich nun schon zum dritten Mal und schließe die Tür hinter mir.
    Unser Zug rollt mittlerweile neben der Autobahn entlang, das heißt, wir haben deren Verzweigung bei Fiano Romano schon passiert. In Kürze wird er den Stadtring schneiden, und dann sind wir in Rom.
    Als wir am Bahnhof Roma Tiburtina eintreffen, ist es halb sieben Uhr morgens, aber noch nicht lange hell: Wir haben schon Sommerzeit, da wird es erst spät Tag. Eine Frau mittleren Alters beobachtet, wie unser Zug jetzt am Gleis hält. Ihr Lidschatten schimmert silbern unter den zu Kommas gezupften Augenbrauen. Unter ihrem offenen tresterfarbenen Mantel trägt sie ein für ihr Alter zu kurzes Schlauchkleid und Schuhe aus goldfarbenem Leder. Sie sieht aus wie nach einer Nacht, die ihre Erwartungen nicht erfüllt hat. Hinter ihr, an einer Mauer, erinnert eine Steintafel an die römischen Juden, die 1943 zusammengetrieben und von hier aus in verplombten Zügen deportiert wurden. Auf ihrem Leidensweg nach Auschwitz transportierten die Nazis sie über jene Gleise nach Norditalien hinauf, über die mein Zug gerade gefahren ist.
    Der Liegewagenschaffner reicht mir den Koffer herunter, bevor er selbst mit einem jungenhaften Satz vom Trittbrett springt. Als er

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