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Eva und die 40 Maenner - Roman

Eva und die 40 Maenner - Roman

Titel: Eva und die 40 Maenner - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Andre
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erklärte Oliver gerade. »Als ich ihn gefragt habe, ob er mich zum Bahnhof fährt, da hat er gesagt, er fährt den ganzen Weg. Ich hab ihm gleich gesagt, dass es nicht sicher ist, ob du ihn überhaupt sehen willst. Aber er wollte trotzdem mit.«
    Eva betrachtete ihren Sohn mit gemischten Gefühlen. Wie erwachsen er schon war! Dazu zwangen Eltern ihre Kinder wohl, wenn sie sich trennten. Sie spürte, wie das vertraute schlechte Gewissen wieder anklopfte. Andererseits war Oliver fast 18, er würde bald ausziehen und ein eigenes Leben beginnen … Sie überlegte, aber nicht lange. Immerhin war Marcel anderthalb Stunden über die Autobahn gebrettert. Außerdem sollte sie allmählich über ihn hinweg sein. Und Nils war auch weg.
    »Hol ihn rein, mach nur. Ich hab kein Problem damit.«
    Oliver zögerte nicht lange und ging zur Tür. Während er für einen Augenblick verschwand, atmete Eva einmal tief durch. Nein, es ließ sie nicht völlig kalt, dass er da war.
    Doch da standen beide auch schon vor ihr. Marcel war viel blasser, als sie ihn Erinnerung hatte. Sein kastanienbraunes Haar bildete einen deutlichen Kontrast zum schmalen, klar geschnittenen Gesicht. Er schien abgenommen zu haben, was ihm nicht schlecht stand, und seine Augen leuchteten. Eva merkte verblüfft, dass er ihr vertraut vorkam und gleichzeitig wie ein vollkommen Fremder. »Hallo, Eva.« Seine Stimme klang belegt.
    »Hallo. Nett, dass du gekommen bist.« Etwas Klügeres fiel ihr nicht ein.
    »Ist doch selbstverständlich. Ich wollte sehen, ob alles in Ordnung ist.«
    Sie versuchte ein kurzes Grinsen, ließ es aber gleich wieder sein. »Ja, es war nur eine Kleinigkeit, kaum der Rede wert.«
    »Drei Tage im Krankenhaus sind doch keine Kleinigkeit. Was genau haben sie denn an der Schulter gemacht?«
    Eva gab brav Auskunft, schilderte noch einmal den Hergang des Unfalls. Marcel sagte wunderlicherweise, er mache sich Vorwürfe, und Eva sagte: »So ein Quatsch, nicht deswegen«, wonach sie sich am liebsten auf die Zunge gebissen hätte. Es herrschte eine seltsame Stimmung im Raum; durch Olivers Anwesenheit fühlte sich Eva gleichzeitig gehemmt und geschützt. Sie glaubte zu spüren, dass es Marcel ähnlich ging, und wünschte sich gleichzeitig, die beiden wären schon wieder weg und würden noch lange bleiben. Es war ein seltsames, unwirkliches Gefühl, festzustellen, dass nach 18 Jahren Ehe nur so wenige Wochen genügt hatten, um eine solche Distanz hervorzubringen. Dieser Mann vor ihr war ihr fern, das spürte sie jetzt mit aller Deutlichkeit, und zugleich, wie das Nachbild eines hellen Punktes auf der Netzhaut, war er noch lange nicht aus ihrer Seele verschwunden.
    Nach ein paar Minuten etwas verkrampften Geplauders fragte Oliver plötzlich: »Was brauchst du eigentlich noch, Mama? Was zu essen, was zu lesen? Wir haben in der Eile ganz vergessen, Blumen oder irgendwas zu besorgen.« Er warf seinem Vater einen vorwurfsvollen Blick zu, als sei das ganz allein dessen Schuld.
    Marcel nickte schnell. »Ja, tatsächlich. Das holen wir sofort nach.«
    Eva wollte schon antworten, dass sie gar nichts brauche und außerdem ja morgen nach Hause ginge, da begriff sie,dass die beiden eine kurze Pause brauchten. Sie wollten sich nützlich fühlen, sie schämten sich dafür, dass sie mit leeren Händen gekommen waren. Also bat sie um eine Zeitung vom Kiosk und eine Flasche Saft. Und Vater und Sohn marschierten auch tatsächlich gemeinsam los, als könnte keiner von beiden diese harmlosen zwei Dinge alleine tragen.
    Beinahe hätte Eva gelacht, als die Tür hinter ihnen zugegangen war. Doch das Lachen blieb irgendwo unterwegs stecken, und sie atmete nur tief aus und betrachtete sinnend die wunderschöne Rose auf ihrem Tisch, ohne sie wirklich zu sehen. Marcel war älter geworden, ein winziges bisschen wenigstens. Die Falten um seine klaren Augen hatten sich vermehrt, nicht viel, aber doch so, dass eine Ehefrau es erkannte. Eine Noch -Ehefrau …
    Es dauerte ein wenig länger, als sie erwartet hatte, bis die beiden zurück waren. »Na, war alles ausverkauft und ihr musstet woanders hin?«, machte Eva einen halbgaren Scherz, doch das Lächeln verging ihr, als sie Marcels und Olivers Mienen sah. Irgendetwas musste in den zehn Minuten passiert sein, das war eindeutig.
    Die beiden kamen langsam näher; Marcel fixierte die Orangensaft-Flasche in seiner Hand, als läge ein tiefes Geheimnis darin verborgen, Olivers Blick war umwölkt. Was zum Teufel war geschehen?
    »Mama, wir …

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