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Eva und die Apfelfrauen

Eva und die Apfelfrauen

Titel: Eva und die Apfelfrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Kraetschmar
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ausmacht, allein zu bleiben? « , versuchte Marion, sich selbst ein letztes Mal zu beruhigen.
    Auf einmal sträubte sich alles in Eva dagegen, der Freundin das schlechte Gewissen zu nehmen. » Nein. Im Gegenteil. Ich bin sicher, dass es mir was ausmacht. Trotzdem bleibe ich. «
    Einen Moment lang sahen sie sich schweigend an, dann stiegen Nele und Marion in den Wagen. Eva wandte sich ab. Sie wollte nicht winken. Man winkte ja auch nicht bei einem Begräbnis.
    Es war ein Samstag, an dem sie allein in Wannsee zurückblieb. Sie hatte beschlossen, den Tag mit Gärtnern zu verbringen. Wenn es irgendetwas gab, das sie von dem Gefühl ablenken konnte, gescheitert zu sein, dann war es Erde zwischen den Fingern.
    Der nahende Herbst setzte zunehmend Zeichen. Die Hochdrucklage würde für einen traumhaften Altweibersommer sorgen. Der Wind riss die weißen Gespinste der Baldachinspinnen aus dem Gras, trieb sie vor sich her und wehte sie in Büsche und Bäume. In Evas Beeten waren die violetten Strahlenastern aufgegangen, ansonsten blühten nur noch vereinzelt rote Dahlien. Die anderen Blumen waren verblüht, wollten abgeschnitten oder hochgebunden werden. Das hatte Eva sich für diesen Tag vorgenommen, auch wenn sie nicht sagen konnte, wofürsie es machte. Es war sowieso nur eine Frage der Zeit, bis auch sie wegfuhr und das Haus Rechenberger überließ.
    Als sie mit dem löchrigen Strohhut und dem Gartenwerkzeug aus dem Schuppen kam, waren Gandalf und Loh auf der anderen Seite des Zaunes damit beschäftigt, alles für die Ernte der frühen Kartoffeln vorzubereiten. Loh koppelte gerade den Hänger an den Traktor. Er hob die Hand zu einem stummen Gruß, und Eva lächelte ihm zu, bevor sie sich an die Arbeit machte.
    Das Mittagessen ließ Eva ausfallen. Stattdessen setzte sie sich ins Gras, lehnte sich mit dem Rücken gegen einen Baumstamm und aß einen Ontario, während sie durch die Äste hindurch den Himmel beobachtete. Von den Wildgänsen und den Kranichen war nichts zu sehen. Dafür entdeckte sie einen Raubvogel, der weite Kreise zog. Sein hoher Schrei drang bis zu ihr hinunter.
    Am späten Nachmittag räumte sie auf, ging ins Haus und schrubbte sich kräftig die Hände. Ganz sauber wurden sie nie. Es war, als weigere sich die Erde, sich völlig von ihnen zu lösen.
    Als sie in der Küche saß und lustlos ihr Abendbrot aß, verstand Eva auf einmal, wie Dorothee sich gefühlt haben musste, als alle Kinder ausgezogen waren. Das erste Mal seit über einem Vierteljahr war sie abends allein. Zu Hause in Berlin war das nie ein Problem gewesen. Da kam sie müde von der Arbeit in ihr Apartment, war froh, wenn sie die Tür hinter sich schließen konnte, schaffte es bestenfalls, noch ein bisschen zu telefonieren, und ging dann schlafen. Manchmal hörte sie im Halbschlaf die Schritte des Mieters über sich oder Fränzchens Gebell, wenn Frau Biegel mit ihm noch mal rasch Gassi ging. Da war niemand außer ihr in der Wohnung, aber es fühlte sich nicht so… leer an.
    Das war jetzt anders. Sie fühlte sich allein. Sie vermisste das Lachen der anderen, das Schwatzen in der Küche, das Scheppern der Teller und das leise Klirren der Gläser beim Abwasch. Sie vermisste die Diskussionen darüber, was sie am nächsten Tag kochen wollten und wer dafür einkaufte, vermisste die Vertrautheit untereinander, die Selbstverständlichkeit, mit der sie sich morgens an der Kaffeemaschine eingefunden hatten und mit der Marion ihre Tai-Chi-Übungen auf der Terrasse gemacht hatte, vermisste das Klappern von Julikas Strickzeug und Dorothees halblautes Gemurmel, wenn sie Apfelrezepte studierte. Sogar das Geplänkel untereinander vermisste Eva. Die Stille zerrte an ihren Nerven.
    Um acht schaltete sie den Fernseher an und ließ sich auf die Couch fallen, um dann rasch wieder hochzuspringen. Etwas Spitzes hatte sich in ihre Pobacke gebohrt… Julikas Strickzeug lag noch da.
    Nachdenklich hielt Eva die zweite halb fertige Apfelsocke in der Hand. Dass Julika nicht daran gedacht hatte, ihr geliebtes Strickzeug mitzunehmen, war der beste Beweis, dass es ihr mit einem neuen Leben ernst war. Dass auch Marion Pfeil und Bogen im Schuppen hatte stehen lassen, bedeutete das Gleiche: Jede ihrer Freundinnen hatte sich für ein individuelles statt für ein gemeinsames Lebensziel entschieden.
    Wie jeden Tag schaute Eva den Wetterbericht (bis

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