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Eva und die Apfelfrauen

Eva und die Apfelfrauen

Titel: Eva und die Apfelfrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Kraetschmar
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21Grad am Tag, keine Niederschläge, kaum Wind, klarer Himmel, Vollmond). In Berlin war das nur wichtig, um zu wissen, ob man am nächsten Tag einen Regenschirm mitnehmen sollte, wenn man zur Arbeit ging. Auf dem Lande dagegen spielte das Wetter eine andere Rolle. Da entschied es über die Obsternte, die Gartenarbeit und das Ofenheizen und über das Wachsen der Blumen, für einen Landwirt wie Loh über die Getreideernte, das Einlagern der Kartoffeln, das Galloway-Futter– eigentlich über alles.
    Eva machte den Fernseher aus und setzte sich in die Küche, um noch etwas an ihrem Apfelbuch zu arbeiten. Ein Monat blieb ihr hier, und diese Zeit wollte sie nutzen, um es fertigzustellen. Sie schenkte sich ein Glas Rotwein ein, doch er schmeckte bitter, und sie kippte ihn kurz entschlossen weg. Dann vergewisserte sie sich, dass sie die Türen abgeschlossen hatte, und ging nach oben.
    Unentschlossen schlenderte Eva von Raum zu Raum. Im Gegensatz zu Marions und Neles Zimmer sahen die von Julika und Dorothee aus, als ob deren Bewohnerinnen jede Minute wiederkommen könnten. Sie hatten nur das Nötigste mitgenommen, während Nele und Marion so viel wie möglich zusammengepackt hatten.
    Â» War es für dich auch so, als deine Schwester wegging, Anna? « , fragte sie leise, als sie im Gästezimmer, in dem Mimi gewohnt hatte, vor der alten Schwarz-Weiß-Fotografie stehen blieb.
    Aber Eva bekam keine Antwort. Plötzlich wünschte sie, sie fünf hätten auch ein Foto gemacht, auf dem sie zusammen zu sehen waren. Das hätte sie neben Annas Foto hängen können.
    Obwohl sie noch immer nicht müde war, ging Eva zu Bett. Sie beobachtete durch das weit geöffnete Fenster, wie der Mond aufging und hinter den Apfelbäumen höher stieg. Einmal flog ein großer Vogel vorbei. Als der Schatten eines Flügels über den Dielenboden glitt, fühlte Eva sich ein bisschen getröstet. Wenigstens Lady D’Arbanville war noch da.
    Sie streckte sich seufzend und spürte, wie der Schlaf näher kam. Ihr letzter Gedanke war, wo jetzt wohl die anderen vier sein mochten und wie es ihnen ging…
    Eva erwachte abrupt von einem lauten Schrei. Dann registrierte sie, dass sie selbst es gewesen war, die geschrien hatte. Jemand hatte sie hart am Oberarm gepackt.
    Â» Pst, alles okay « , flüsterte es an ihrem Ohr.
    Verwirrt blinzelte Eva in den hellen Mond und versuchte, sich zu orientieren. Der kalte Nachtwind umwehte ihre nackten Arme und Beine. Unter ihren Füßen war sandiger Untergrund. Sie stand im Freien. Hinter ihr lagen Haus und Apfelgarten, vor ihr die Felder und der Weg, der hinter den Gehöften vorbeiführte. Und neben ihr stand Loh.
    Â» Was mache ich hier? « , fragte sie alarmiert. Ihr Herz schlug viel zu schnell und vertrieb ihre Schläfrigkeit im Nu. » Eben war ich noch im Bett! «
    Â» Da bist du schon eine ganze Weile nicht mehr « , sagte Loh. » Du bist im Apfelgarten zwischen den Bäumen herumgewandert. Ich dachte, du gehst spazieren, weil du nicht schlafen kannst. Aber dann bist du langsam durch die Pforte raus und den Feldweg entlanggekommen. Da wusste ich Bescheid. Das konnte ich nicht zulassen. «
    Die Kälte kroch von der Erde in ihre Füße und breitete sich von dort in ihrem ganzen Körper aus. Loh schien das zu spüren und zog seine Jacke aus, um sie ihr über die Schultern zu legen. Dankbar fühlte sie die Wärme des weichen Innenfutters.
    Â» Ich hab noch Musik gehört und aus dem Fenster geschaut. Da hab ich dich gesehen. Ich hatte Angst, dass du in die Grube fällst. « Er stand vor ihr und knöpfte die Jacke umsichtig zu, als sei Eva ein Kind.
    Sie schaute an ihm vorbei zu den brüchigen Bohlen, die keine drei Meter vor ihr quer über dem Weg lagen. Darunter war die Grube, Sauerts nicht eingehaltenes Versprechen an Loh. Wie war das gewesen? Wie viele Kubikmeter abgestandener Gülle waren darin? Eva schauderte bei dem Gedanken, dass sie beinahe dort hineingefallen, im Schock erwacht und dann in dieser Jauche ertrunken wäre.
    Â» Wusstest du, dass du schlafwandelst? «
    Eva nickte. » Ja. Aber bis jetzt nur selten. Wenn mich was sehr mitnahm oder beschäftigte. In unserer ersten Nacht hier bin ich auch herumgewandert. «
    Â» Komm, ich bring dich ins Haus zurück. «
    Er legte seinen Arm um ihre Schultern, und so gingen sie durch die mondhelle Septembernacht, durch die

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