Eva und die Apfelfrauen
Lautstärke.
» Ich weià nicht. Dieser Moment ist so⦠schicksalsträchtig. Wer weiÃ, vielleicht gehen wir als Millionärinnen hier raus! Also, ich nehme mir einen Kaffee. « Diesmal sprach Nele laut und deutlich. » Ihr auch? «
Aber bevor die anderen antworten konnten, wurde die Tür aufgestoÃen, und Rechtsanwalt Rechenberger trat ein. Er trug eine dunkelgraue Flanellhose, dazu ein dunkelblaues Jackett und ein hellblaues Hemd mit weiÃem Kragen. Hinter seiner modischen Hornbrille blitzten dunkle Augen hervor. Alfred Rechenberger war groà und hatte einen leichten Bauchansatz, sein Haar war mit silbergrauen Strähnen durchzogen. Er hätte der ältere Bruder von Neles vorvorletztem Freund sein können, der aus Hamburg stammte, Nele gründlich unglücklich gemacht und bei ihr eine ausgeprägte Abneigung gegen Räucheraal hinterlassen hatte. Was erklärte, warum sie den Anwalt jetzt düster ansah. Dieser schien das jedoch nicht zu bemerken. Oder er war es gewohnt, dass Frauen ihn ungehalten musterten. Einen Ehering trug er jedenfalls nicht.
» Guten Tag, guten Tag « , hieà er sie jetzt willkommen, setzte sich an den Tisch und legte eine Mappe vor sich. Er faltete die Hände und sah seine fünf Besucherinnen der Reihe nach an. » Ich begrüÃe Sie recht herzlich, meine Damen. Das ist⦠nun, ein ungewöhnlicher Fall, um es mal vorsichtig auszudrücken. Wer von Ihnen ist Eva Wedekind? «
» Ich. «
» Sie werden in Frau Staudenroosâ Testament namentlich genannt, wenn es auch für Sie fünf gilt. Ich schlage vor, ich verlese zunächst ihre letztwillige Verfügung. AnschlieÃend können wir die Fragen, die Sie sicher haben, klären. «
» Moment « , unterbrach Julika Rechenberger. » Was ist, wenn Frau Staudenroos verschuldet war? Wenn auf dem Haus eine Hypothek liegt? Müssen wir das Erbe dann nicht gleich ausschlagen? «
» Das können Sie theoretisch auch nach dem Verlesen des Testaments. Aber ich kann Ihnen versichern, dass auf dem Haus keine Hypothek liegt « , sagte Rechenberger sanft.
Er nahm seine Brille ab, putzte sie ein bisschen umständlich, setzte sie wieder auf und begann zu lesen.
Mein letzter Wille
Hiermit vermache ich, Anna Staudenroos, geboren am 17. 7. 1938, Eva Wedekind und ihren vier Freundinnenâ wieerwähnt im Märker - Artikel vom 11.März 2012â meinHaus und Grundstück in 11789 Wannsee, DorfstraÃe 26. Ich hoffe, dass es ihnen dabei hilft, ihre Wohnvorstellungen zu verwirklichen. Ich habe immer allein gewohnt. Gemeinsam mitguten Freundinnen alt zu werden, war mirnicht vergönnt.
Das Geld, das sich nach Abzug der Begräbniskosten auf
meinem Konto befindet, kann genutzt werden, um die Grundsteuer zu bezahlen. Sie beträgt vierteljährlich 87,43Euro. Sollte der Versuch von Eva Wedekind und ihren vier Freundinnen, gemeinschaftlich in Harmonie zu leben, nicht gelingen, kann das Haus auch von ihnen verkauft werden. Das Minimum anVerweildauer sollte jedoch der Länge des Reifeprozesses der Ãpfel entsprechen.
Scheitert das gemeinsame Wohnprojekt vorzeitig, wird das Haus von Rechtsanwalt und Notar Alfons Rechenberger verkauft und der Erlös einem wohltätigen Zweck zugeführt.
Anna Staudenroos, Potsdam, den 15.März 2012
Rechenberger verstummte und schaute hoch. FünfAugenpaare starrten ihn an. » Haben Sie Verständnisfragen? « , wollte er wissen.
» Was passiert, wenn wir finden, dass das Haus unseren Vorstellungen nicht entspricht? Wenn wir unmöglich darin zusammen wohnen können und es lieber gleich verkaufen wollen? Oder wenn zwei darin wohnen wollen und drei es grässlich finden? « , wollte Julika wissen.
Rechenberger schüttelte den Kopf. » Das ist nicht möglich. Wenn Sie sich nicht darauf verständigen können, zusammen in dem Haus zu leben, soll ich mich um den Verkauf kümmern. Frau Staudenroos hat verfügt, dass dann der Erlös einer wohltätigen Stiftung zuflieÃt. Genau so, wie ich es gerade vorgelesen habe. «
» Was soll denn dieser vorletzte Satz? « , fragte Eva. » Der mit dem Reifeprozess der Ãpfel? «
» Oh, das bezieht sich darauf, dass sich auf dem Grundstück einige Apfelbäume befinden. Frau Staudenroos wusste von ihrem baldigen Ableben und hegte die Hoffnung, dass Sie sich gemeinschaftlich um die Ernte kümmern. Sie hing offensichtlich
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