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Eva und die Apfelfrauen

Eva und die Apfelfrauen

Titel: Eva und die Apfelfrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Kraetschmar
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zwei Meter neben ihrem Tisch stürzte er der Erde zu, griff sich etwas und schwang sich wieder nach oben. In elegantem Bogen flog er über das Haus und verschwand in Richtung Dorf aus ihrem Blickfeld.
    Â» Mein Gott « , rief Julika fassungslos. » Ein Killervogel vor unserer Haustür. Hitchcock in der Mark. «
    Â» Gibt’s hier Adler? « Dorothees Stimme zitterte.
    Â» Oder Harpyien? « , fragte Nele.
    Einer ihrer Exfreunde war Reiseleiter in Südamerika gewesen. Er hatte ihr mal von den riesigen Raubvögeln erzählt, die lautlos durch die Regenwälder schwebten und mit messerscharfen Krallen nach ihrer Beute griffen. Nele erinnerte sich immer noch fasziniert an seine Geschichten, auch wenn er bei ihr eine ausgesprochene Abneigung gegen argentinische Steaks hinterlassen hatte.
    Â» Oder Hühnergeier? Als Lolli und ich mal in Italien… « Julika unterbrach sich abrupt, als hätte sie etwas Falsches gesagt.
    Â» Habt ihr nicht den runden Kopf gesehen? « , fragte Eva, » das war eine Eule! Die kommt sicher vom Wald rüber, um hier zu jagen. «
    Marion rieb sich die Arme, als ob sie fröstelte. » Eine Eule, ein okkulter Vogel der Nacht… ich fühle mich irgendwie schutzlos. Habt ihr nicht auch das Gefühl, dass die Natur hier… allgegenwärtig ist? Unendlich viel mächtiger als wir? Dass sie uns irgendwie… belauert? Und dunkel ist es. Keine Lichter in den Häusern, keine Straßenlaternen. Kein bisschen, das an die Zivilisation erinnert. Keine Autos, keine Abgase, kein Lärm… «
    Â» Na, wenn Autos und Abgase für dich Zivilisation bedeuten… «, erwiderte Eva und zeigte nach oben. » Dafür sieht man hier mehr Sterne als in Berlin. « Am inzwischen tiefdunklen Himmel funkelte still die Milchstraße.
    Â» Hast du etwa Angst? « , fragte Nele erstaunt. » Vor der Dunkelheit? Vor einem Vogel? Denk an U-Bahn-Schläger! An Betrunkene, die dich angrabschen wollen! Vor denen kannst du Angst haben! «
    Â» Außerdem sind wir zu fünft « , fügte Julika hinzu. » Wenn du allein im Wald übernachten müsstest, dann könnte ich dich verstehen, Marion. Aber so… «
    Â» Gleich am ersten Abend eine Nachteule! « , sagte Dorothee andächtig.
    Â» Mädels, ich bin total fertig. « Julika stand auf. » Die Bettdecke ruft nach mir. Wollen wir losen, wer zuerst ins Bad darf? «
    Â» Wenn du schon so fragst, geh du! « Nele gähnte.
    Eva pustete die Kerzen aus, Dorothee griff nach dem Tablett mit der leeren Flasche und den Gläsern. Als alle im Haus waren, schloss Marion von innen die Terrassentür ab. Vorsichtshalber zweimal. Falls irgendeine Kreatur der Nacht meinte, sie müsse sie im Schlaf überraschen.

8. Kapitel
    Zum Gärtnern braucht man einen
gusseisernen Rücken mit einem Scharnier.
    Charles Dudley
    Als Nele am nächsten Morgen erwachte, fühlte sich ihre Umgebung so anders an als sonst, dass sie kurz überlegen musste, wo sie war. Dann fiel es ihr ein: Sie war auf dem Land. In der Frühsommeridylle von Wannsee.
    Sie lauschte. In den anderen Zimmern herrschte noch Stille. Und draußen auch, sah man von einem Hahn ab, der gerade krähte. Sonnenstrahlen fielen durch das Fenster und tauchten den Raum in ein warmes Licht. Gardinen brauchte sie in Annas Haus nicht. Sie war ja nicht in Berlin, wo man Angst vor einem Spanner haben musste, wenn man sich abends in seinem beleuchteten Zimmer auszog.
    Nele räkelte sich ein letztes Mal, dann stand sie auf. Das Handydisplay sagte kurz nach sieben, Zeit aufzustehen, einen Kaffee zu machen und sich dann um den Computer zu kümmern. In gut einer Woche wollten sie und Eva online und skypebereit sein. So war es mit Titus verabredet.
    Sie zog ihren Bademantel an und ging zum Fenster. Als sie es aufstieß, strömte Landluft ins Zimmer: eine Mischung aus Erde, feuchtem Gras und Gülle. Wieder hörte sie den Hahn, diesmal lauter. Das Krähen kam vom Nachbarhof. Nele beugte sich vor, um vielleicht einen Blick auf Gandalf zu erhaschen, konnte ihn aber nirgends entdecken. Als sie die Treppe hinunterging, knarrten die Holzstufen leise unter ihren nackten Füßen.
    In der Küche suchte sie zuerst den Kaffee, füllte die Kaffeemaschine und schaltete sie an. Während sie wartete, dass das Wasser durchlief, fiel ihr auf einmal der Schmutz in der Speisekammer wieder ein. Statt tatenlos herumzustehen,

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