Eva und die Apfelfrauen
Moment. « Er drehte sich um und verschwand hinter dem Nachbargebäude. Eva hörte eine Tür in den Angeln quietschen, kurz darauf war er wieder zurück. Caruso war weitergewandert, als Eva aufgehört hatte, ihn zu streicheln. » Hier, bitte. « Loh reichte seiner neuen Nachbarin einen Zehnerkarton über den Zaun. » Kann sein, dass noch ein bisschen Hühnermist dranklebt. «
» Hühnermi⦠Danke. Was bekommen Sie dafür? « Eva konnte sich nicht überwinden, ihn zu duzen. Etwas in ihr sperrte sich. Wahrscheinlich lag es an dem zwanghaften Du bei Frenz & Friends.
Loh winkte ab. » Nichts. Ein Einstandsgeschenk. Kann ja nur helfen. Fünf Frauen in Annas Haus, das muss man sich mal vorstellen. « Er schüttelte den Kopf, als traue er seinen eigenen Worten nicht.
» Was kann nur helfen? « , fragte Eva. » Eier? «
Plötzlich kam Caruso angeschossen. In der Schnauze hatte er etwas Kleines, das zappelte. Er hechtete über den Zaun, fegte an seinem Herrchen vorbei und kauerte sich in den Schatten des Schuppens.
» Er hat eine Maus! « , sagte Eva aufgeregt. » Schnell, tun Sie doch was! «
» Was denn tun? « , fragte Loh.
» Na, die Maus retten! «
Eva rang die Hände, wagte aber nicht, ebenfalls über den Zaun zu hechten. Es hätte zu dumm ausgesehen, wenn sie mittendrin hängengeblieben wäre.
Loh sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren. Als Caruso zubiss, knackte es laut. Die Maus quiekte ein letztes Mal, dann schwieg sie für immer. Eva spürte, wie sie Gänsehaut bekam.
» Das ist grausam! « , sagte sie.
» Blödsinn « , widersprach der Bauer. » Es ist der Job von Katzen, Mäuse zu fangen. Was meinst du denn, warum Caruso so ein schönes Fell hat? Weil in Mäusen alles ist, was er braucht. Mineralien, Spurenelemente, Kohlehydrate, Eiweià und Fett. «
Loh sah mit verschränkten Armen zu, wie sein Kater die Beute verputzte. Eva schauderte es, als Caruso in ihre Richtung starrte und dabei den Mäuseschwanz elegant wie eine rosafarbene Spaghettinudel einsog.
» Er ist der beste Mäusefänger, den ich jemals hatte « , sagte Loh. » Wenn er nicht wäre, gäbe es hier eine Mäuseplage. Haben ja genug zu fressen. « Er zeigte in Richtung Apfelgarten. » Na dann, frohen Einstand und guten Abend noch. Man sieht sich. « Als er wegging, glaubte Eva etwas zu hören wie, » Frau⦠spinnt⦠Mäuse⦠Stadt⦠Katze⦠im Bett schlafen «.
» Barbar « , murmelte sie hinter ihm her.
Eva hatte das Knacken von Carusos Abendessen noch im Ohr, als sie zum Haus zurückging. Und was sie von dem Nachbarn halten sollte, wusste sie auch nicht. Dann allerdings vergaà sie jeden Gedanken an Caruso und sein Herrchen: Marion und Julika standen auf der Terrasse, die Arme weit von sich gestreckt, und machten synchron im Zeitlupentempo eine höchst seltsame Auf-zu-Bewegung.
» Was ist das denn? « , fragte Eva. » Sieht interessant aus. «
Julika fror mitten in der Bewegung ein und sah sie ernst an. » Marion hat mir eine Tai-Chi-Ãbung beigebracht. Sie heiÃt Die Katze frisst die Maus in der Abenddämmerung. « Dann brachen sie und Marion in schallendes Gelächter aus.
» Ihr seid doof. Man belauscht nicht anderer Leute Gespräche « , sagte Eva und ging ins Haus. » Ich brauche jetzt dringend noch einen Rotwein. «
» Bring uns einen mit! « , rief Marion ihr nach.
In der Küche traf Eva auf Dorothee. Sie stand an die Spüle gelehnt und telefonierte. » Mimi, du musst ihm aber auch mal eine Chance geben. Er kann doch nicht immer mit dir um die Häuser ziehen, wenn er für die Prüfung lernen muss « , sagte sie gerade eindringlich. » Ihr könntet doch auch mal zu Hause bleiben! Wo ihr so eine nette Wohnung habt! Es euch vor dem Fernseher gemütlich machen! Schaut Günther Jauch, da lernt man wenigstens noch was. «
Kommst du mit raus?, signalisierte Eva pantomimisch, und Dorothee nickte. » Schatz, lass uns morgen weiterreden « , sagte sie zu ihrer Tochter. Dann beendete sie das Gespräch, legte das Handy auf den Tisch und seufzte.
» Was gibtâs denn? Hat Mimi ein Problem? « , fragte Eva und stellte Rotwein und Gläser auf ein Tablett.
» Ach, naja, sie ruft mich immer an, wenn sie Stress mit Lennart hat. Hoffentlich gibt sich das über den Sommer etwas.
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