Eva und die Apfelfrauen

entscheiden … dröhnte es jetzt wieder aus den Boxen.
    Julika seufzte. » Ach, wenn’s doch nur Paolo Conte wäre. «
    Â» Schätzchen, wir sind auf einem deutschen Dorf, nicht irgendwo in der Toskana « , spöttelte Eva.
    Nele sagte nichts. Mit den Blicken verfolgte sie Gandalf, der sich jetzt mit einem vollen Bierglas seinen Weg durch die Menge bahnte. Doch wieder kam er nicht weit. Und dann sah Nele ungläubig, dass Leonore ihren Tisch verließ, zu Gandalf eilte, sich ihm in den Weg stellte, ihn umarmte und ihn auf den Mund küsste.
    Â» Küssen den alle? « , fragte sie ungehalten in Evas Richtung, die neben ihr saß. » Macht man das so auf einem Dorffest? «
    Doch bevor Eva antworten konnte, tippte ihr jemand auf die Schulter. Sie drehte sich um.
    Loh stand vor ihr. » Möchtest du tanzen? « , fragte er.
    Â» Tanzen? Ich? « Eva schaute ihn verblüfft an.
    Â» Ja, du. Dafür ist ein Dorffest da, oder? «
    Eva schwieg so lange, bis Julika ihr einen Stoß in die Rippen gab. Da erst sagte sie » Gern! « und stand auf.
    Loh führte sie auf die Tanzfläche, als gerade ein neues Stück begann. Und diesmal sogar eins, das Eva mochte. Bloß dass man danach nicht im gängigen Dorffoxtrott tanzen konnte. Sie sah Loh an, fast in der Erwartung, dass er entschuldigend die Achseln zucken und sie zurück zum Tisch geleiten würde. Aber das tat er nicht. Stattdessen zog er Eva dichter an sich heran. Du hast mehr als jeden Schimmer von mir …, sang Adel, und Eva summte leise mit. Loh hatte ihre Hand in seine genommen und die andere auf ihren Rücken gelegt.
    Â» Magst du das Lied? « , fragte er dicht an ihrem Ohr.
    Er roch gut, fand sie. Und wenn er mal etwas anderes als seine Arbeitskluft anhatte, sah er auch gut aus. Und führen konnte er außerdem.
    Â» Ja. Ich mag die Mischung aus Weggehen und Wiederkommen. Und dass der, der das singt, Verständnis für die Veränderung hat, die der andere vornimmt. «
    Â» Du machst dir Gedanken über so eine Schnulze? «
    Â» Ich finde den Song nicht schnulzig « , rechtfertigte Eva sich, während sie durch die anderen Tänzer dichter aneinandergedrückt wurden. » Und ja, ich mache mir Gedanken. Ich bin Texterin, da setzt man sich mit Texten auseinander. «
    Loh schwieg, als ob er darüber nachdenken musste, dann fragte er: » Reist du gern? «
    Eva sah ihn amüsiert an. » Klar reise ich gern. Aber ich komme auch gern zurück. «
    Er machte einen Ausfallschritt, dem sie mühelos folgte, und sagte: » Die Hälfte der Leute hier kriegst du nicht von ihrer Scholle runter. «
    Â» Und die andere Hälfte? «
    Â» Die träumt beim Heumachen davon, mit dem Backpack durch Vietnam zu trampen « , sagte er nachdenklich.
    Â» Und warum folgt diese Hälfte nicht ihren Träumen? «
    Â» Vielleicht, weil immer was zu tun ist. Vielleicht, weil der Partner den Traum nicht teilt und man nicht allein reisen will. Vielleicht, weil es zum Flughafen zu weit ist. «
    Â» Oder weil man nicht vier Freundinnen hat, die alles mitmachen « , lachte Eva.
    Â» Ja, so wie ihr. Wie lange bleibt ihr eigentlich in Wannsee? «
    Â» Bis die Apfelernte wenigstens zum Teil abgeschlossen ist. Bis zum 1.Oktober. «
    Â» Und dann? «
    Â» Dann gehen wir zurück nach Berlin. So ist es ausgemacht. Das weiß Sauert aber nicht. Er mag uns nicht besonders, wir lassen ihn mit Absicht im Glauben, dass wir für immer bleiben. «
    Â» Und was macht ihr mit Annas Haus, wenn ihr wieder nach Berlin geht? «
    Â» Mal sehen « , antwortete Eva ausweichend.
    Statt einer weiteren Frage zog Loh sie wieder dichter zu sich hin. Seine Nähe fühlte sich ungewohnt an. Aber schön. Und weil es so schön war, tanzten sie auch zum nächsten Schlager. Und zum übernächsten.
    Â» Eva « , sagte Loh zwischen Wolfgang Petry und Matthias Reim– und es war seltsam, ihren Namen aus seinem Mund zu hören–, » wenn ihr mal was braucht, kannst du mich gern fragen. Gandalf und ich haben Anna auch geholfen. Im Obstgarten gemäht, zum Beispiel. «
    Â» Danke. Das wäre toll. Die Ernte macht sich sicher besser, wenn das Gras kürzer ist. Sonst ist das wie Eiersuchen. « Sie grinste.
    Â» Ja. Der Klarapfel ist als Erstes so weit. «
    Klarapfel? Den muss ich googeln, dachte Eva, während Loh sie über die Tanzfläche