Eva und die Apfelfrauen
schaute Eva erleichtert an. » Du bist genial. Das ist die Lösung. «
» Perfekt « , ergänzte Marion, die ebenfalls schnell von Begriff war.
Dorothee schlug die Hände vors Gesicht. » Das darf jetzt nicht wahr sein « , murmelte sie. » Ihr seid verrückt. «
» Könntet ihr mir mal bitte sagen, worum es geht? « , fragte Nele entnervt. » Ihr sprecht in Rätseln. «
Langsam legte Eva die Gabel neben ihren Teller. » Julika will die Urne nicht im Haus haben. Und wahrscheinlich auch nicht in ihrer Wohnung in Berlin, oder? «
Julika schüttelte heftig den Kopf.
» Aber wir haben den Buchenfriedhof hier in Wannsee. Einen Urnenfriedhof. Frei zugänglich. Zu jeder Tageszeit « , fuhr Eva fort.
» Und vor allem zu jeder Nachtzeit « , ergänzte Marion.
Endlich dämmerte es Nele. » Oooooohh « , sagte sie. » Ich verstehe! «
Mimi sah von einer zur anderen. » Was wollt ihr denn machen? «
» Wir setzen heute Nacht Lorenzos Urne bei. In geweihter Erde. Dann ist er untergebracht, und Julika kann ihren Frieden machen « , sagte Dorothee und schob ihr Kinn herausfordernd vor.
Sergio traute seinen Ohren nicht. So hatte sich der Onkel das sicher nicht vorgestellt! Er suchte gerade nach den richtigen Worten auf Deutsch, um gegen diesen skandalösen Plan zu protestieren, als ihm Dorothees Gesichtsausdruck auffiel. Schnell schluckte er den Protest herunter. Er hatte schlieÃlich auch eine mamma zu Hause in der Toskana. Und wenn die ihn mit ihren funkelnden dunklen Augen so ansah wie diese Dorothee ihn jetzt, hielt er besser den Mund.
Wir hätten besser nicht drei Flaschen Rotwein leeren sollen, dachte Eva, als sie den Spaten aus dem Schuppen holte. Ein beschwipstes Kichern unterdrückend stolperte sie über eine lose Bodenplatte. Sie konnte sich zwar fangen, aber der Spaten glitt ihr aus den Händen, genau gegen zwei Türme ineinandergestapelter Tontöpfe. Sie schwankten, und dann stürzten sie scheppernd durch den stillen Abend und zersprangen in tausend Scherben.
Ungehalten schippte Eva die Tonscherben aus dem Weg. Plötzlich vernahm sie eine Stimme. » Alles okay bei euch da drüben? «
Eva zuckte zusammen. Wie machte Loh das bloÃ, dass ihm praktisch nichts entging, was bei ihnen los war? Er tauchte immer dann auf, wenn man ihn am wenigsten erwartete. Sie wusste, dass ihre kleinen Geheimnisse bei ihm in besten Händen waren, doch wie war es mit gröÃeren Geheimnissen? Und war das nicht der Moment, um es herauszufinden?
Eva stützte sich auf den Spaten und sprach in die Dunkelheit. » Ja, alles okay. Julika hat Besuch aus Italien. «
» Ich weiÃ. Ich habe den schönen Wagen gesehenâ mit italienischem Kennzeichen. «
Sie nickte, auch wenn sie nicht sicher war, ob er es überhaupt sah. » Und⦠Loh⦠wir haben was vor. «
» Das dachte ich mir schon. Sonst arbeitest du nicht im Dunkeln im Garten. Brauchst du Hilfe? «
Jetzt endlich trat er aus dem Schatten an den Zaun. Der Mond war noch nicht aufgegangen, aber Eva brauchte kein Himmelslicht, um zu wissen, wie Loh aussah: ein bisschen zurückhaltend, ein bisschen strengâ und zugleich mit diesem speziellen Eva-Ausdruck.
Sie holte tief Luft. » Wir müssen heute Nacht noch eine Urne begraben « , sagte sie leise. » Und ja, wir können deine Hilfe gebrauchen. Du kennst schlieÃlich jeden Stock und jeden Stein bis zum Buchenfriedhof und zurück. «
Als sie zu acht die DorfstraÃe entlanggingen, begegneten sie keinem Menschen. Nirgendwo brannte ein Lichtâ sonntagabends gingen die Wannseer früh ins Bett.
Sie versuchten so leise wie möglich zu sein. Loh und Eva liefen mit dem Spaten vorneweg, dahinter Julika mit Sergio, dem designierten Urnenträger. Danach kamen Nele und Marion, und das Schlusslicht bildeten Dorothee und Mimi. Mimi hatte eigentlich vorn bei Sergio gehen wollen, aber Dorothee hatte sie davon abgehalten. Sergio musste sich schlieÃlich auf die Aufgabe konzentrieren, die vor ihm lag.
Als sie bei der Kirche ankamen, riss der Himmel auf, und zwischen den dunklen Wolkenfetzen schimmerten einzelne Sterne hervor. Sie lieÃen den Kirchhof links liegen und gingen den Weg entlang, der am Pfarrhaus vorbei zum Buchenfriedhof führte.
Alles ging gut, bis sie zum Pfarrhaus kamen. Auch hier waren die Fenster dunkel, bis auf eines, hinter dem es bläulich flimmerte. Der
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