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Eva und die Apfelfrauen

Eva und die Apfelfrauen

Titel: Eva und die Apfelfrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Kraetschmar
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spürte nicht den Regen, der ihr ins Gesicht schlug, spürte nicht, wie nass und kalt ihre Füße wurden. Sie meinte, Lolli hinter der beschlagenen Autoscheibe zu erkennen, aber als sie näher kam, sah sie, dass sie sich getäuscht hatte. Da saß niemand. Suchend sah sie sich um. Wo steckte Lorenzo?
    Sie blickte wieder in den Wagen, aber alles, was sie sah, war eine unsäglich hässliche weiß-goldene Vase, die seltsamerweise auf dem Beifahrersitz angeschnallt war. Ein protziges Kitschobjekt wie aus einem italienischen C-Film oder aus einer Berlusconi-Villa. Sie konnte nur hoffen, dass das kein Gastgeschenk von Lorenzo und Sergio war! Grässlich! Falls doch, würde sie dieses Monstrum bei nächster Gelegenheit einfach auf die Steinfliesen der Terrasse fallen lassen…
    Jemand berührte sie an der Schulter. Mit angehaltenem Atem wirbelte sie herum, überzeugt, dass es Lorenzo war, der sich irgendwo versteckt hatte, um sie zu überraschen. Aber es war nicht Lorenzo, sondern Sergio.
    Â» Wo ist er denn? « , fragte Julika ungeduldig, die langsam nichts mehr verstand.
    Wortlos öffnete Sergio die Beifahrertür und zeigte auf die hässliche Vase. Julika sah jetzt, dass sie einen Deckel hatte. War das etwa gar keine Vase? Nein, es war…
    Â» Da iste zio Lorenzo « , sagte er traurig.
    Â» Nein! « , schrie Julika und schlug sich entsetzt die Hand vor den Mund. » Nein! O mein Gott! Lorenzo! Das kann nicht sein! «
    Â» Doch « , antwortete Sergio leise. » Si. Das iste zio Lorenzo. Da iste seine Asche drin. Wir haben genommen Carrara-Marmor. Die ganze famiglia hate gesammelt. Elegante, no? « Behutsam griff er mit beiden Händen nach der Urne und nahm sie hoch. » Bringe ich in Haus, ja? Iste wärmer für ihn. «
    Julika sah Sergio entgeistert an. Machte er morbide Witze? Sie bezweifelte, dass Lorenzo sich in seinem Zustand an dem kühlen Wetter störte. Aber er sah sie vollkommen ernst an, und schließlich nickte sie.
    Â» Wie ist er gestorben? « , fragte sie leise, während sie neben Sergio, der vorsichtig die Urne trug, zurück zum Haus ging.
    Sechs Jahre hatte sie Lorenzo nicht gesehen und nichts von ihm gehört, war wütend und enttäuscht bei der Trennung gewesen. Und ja, im Nachhinein hatte sie sich vieles schöngeredet. Das wusste Julika bei aller Schwärmerei genau, und falls sie es zwischendurch mal vergaß, hatten ihre Freundinnen sie immer, wenn sie das I-Wort in den letzten Wochen erwähnt hatte, daran erinnert.
    Was blieb, war der erstaunliche Schluss, dass sich in der Urne die Asche eines Fremden befand, mit dem sie vor vielen Jahren sehr glücklich gewesen war. Trotzdem stiegen ihr unvermittelt Tränen in die Augen, liefen ihr über die Wangen und vermischten sich mit den Regentropfen, die unablässig vom Himmel fielen. Keine Frage, sie galten Lorenzo. Oder zumindest dem Anfang ihrer Ehe, der sich in ihrer Erinnerung in ein italienisches Sommermärchen verwandelt hatte.
    Â» Er hatte gehabte eine Herzinfarkte. Ging presto. Er hate zu viele gerauchte. «
    Julika nickte. Lolli war ein Kettenraucher gewesen. » Und… war seine Frau bei ihm? « , fragte sie und versuchte erst gar nicht, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. Plötzlich war ihr furchtbar kalt.
    Sergio sah sie verwundert an. » Welche Frau? Lorenzo war nichte verheiratet. «
    Â» Nicht? « , sagte Julika überrascht. » Ich dachte, er hätte diese junge Frau aus Florenz geheiratet. Um mit ihr Kinder zu bekommen. «
    Â» No, no, hate er nichte. Hate gelebt allein seit sechs Jahre. Keine Frau. Keine Kinder. Nur gearbeitet. Aber er hatte gehabte eine letzte Wunsch. Deshalb binne ich hier. «
    Das Wohnzimmertischchen wackelte, als Sergio die Urne mit einem leisen Rums abstellte.
    Die Freundinnen, die um den Tisch herumsaßen, starrten auf das Marmorgefäß mit den hässlichen Goldrosen wie vier Kaninchen im besten Alter auf eine Schlange.
    Â» Ist es das, was ich denke? « , fragte Nele bestürzt.
    Â» Wenn du › Urne ‹ denkst, dann ja « , sagte Julika.
    Â» Ist da Lorenzo drin? « , fragte Marion, nicht weniger erschrocken.
    Â» Na, er nicht. Aber seine Asche « , gab Julika gefasst zurück.
    Â» Ach, herrje! « , rief Marion.
    Â» Das ist ja schrecklich « , sagte Eva betroffen.
    Unvermittelt stieg in Julika ein hysterischer Lachreiz auf. Sie konnte nichts

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