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Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Lebens beherrschen, sondern wird sich verraten. Und er muß irgendwann sein Gewissen erleichtern und darüber reden. Und der andere erzählt es dann der Polizei. Oder vielleicht wird eine Belohnung ausgesetzt, und irgendwer stürzt los, um ihn zu denunzieren, irgendein geldgieriger Bursche.«
    Ihre Worte blieben ihr im Halse stecken.
    »Ich meine nur, irgendwo gibt es einen Menschen, der sich dafür verantwortlich fühlt, daß die Gerechtigkeit siegt. Die Leute sind nur ein bißchen langsam. Oder sie haben Angst.«
    »Nein, sie sind feige«, nuschelte ihr Vater müde. »So ist das nämlich. Die Leute sind feige, sie denken nur an ihre eigene Haut, sie wollen in nichts hineingezogen werden. Nett, daß du so sehr an die Gerechtigkeit glaubst, Kind, aber das bringt nicht viel. Für die Frau, meine ich. Der kann niemand mehr helfen.«
    Eva schwieg, sie hatte ihre Stimme nicht mehr unter Kontrolle. Sie zog an ihrer Zigarette.
    »Warum hast du diesem Typen eine gescheuert?« fragte sie plötzlich.
    »Wem denn?«
    »Deinem Arbeitskollegen, von dem du erzählt hast.«
    »Habe ich doch gesagt. Weil er gemein war.«
    »Das ist keine Antwort.«
    »Warum warst du so hysterisch, als Frau Skollenborg gestorben ist?« fragte er.
    »Das erzähle ich dir ein andermal.«
    »Wenn ich im Sterben liege?«
    »Dann kannst du ja danach fragen, und dann sehen wir weiter.«
    Die Nacht rückte näher. Eva dachte an Elmer und fragte sich, was der jetzt wohl machte. Vielleicht starrte er die Wand an, das Tapetenmuster, seine Hände, und wunderte sich darüber, daß die ihr eigenes Leben leben und außerhalb seiner Kontrolle handeln konnten. Während Maja in einer Kühlschublade lag, ohne Bewußtsein, ohne einen einzigen Gedanken in ihrem kalten Kopf. Eva konnte auch nicht mehr denken, sie goß Wein nach, und sie spürte, daß ihre Gedanken zu einem Dunst wurden, durch den sie nicht mehr hindurchblicken konnte.
    ---
    D er Morgen brachte Nebel und Wind, während des Frühstücks klärte es sich jedoch auf. Das Radio brabbelte vor sich hin. Eva hörte mit einem halben Ohr zu, und das richtete sich plötzlich auf. Nachrichten kamen. In Verbindung mit dem Mord war ein Mann festgenommen worden. Ein siebenundfünfzigjähriger Busfahrer mit einem weißen Renault. Sie hörten beide zu und ließen ihre Brote sinken.
    »Ha!« sagte der Vater. »Der hat kein Alibi!«
    Eva spürte, wie ihr das Herz sank. Der Festgenommene gab zu, mehrmals als Kunde bei dem Opfer gewesen zu sein. Natürlich war er da nicht der einzige, sie hatten Maja doch seit zwei Jahren die Bude eingerannt. Eva stellte sich vor, wie seine Zukunft nun einstürzte, ein unschuldiger armer Wicht, vielleicht hatte er Familie. Sie dachte: Das ist meine Schuld.
    »Hab ich’s nicht gesagt«, sagte ihr Vater triumphierend. »Sie haben ihn schon.«
    »Das hört sich zu einfach an, finde ich. Bloß, weil er so ein Auto und kein Alibi hat. Und Sex zu kaufen ist nicht verboten. Früher«, sagte sie laut, »war man erst ein echtes Mannsbild, wenn man in den Puff ging.«
    »Du meine Güte!« sagte ihr Vater und blickte auf.
    Eva schwitzte.
    »Du bist ja vielleicht negativ! Finden sie die nicht immer sehr schnell? Wir leben doch in einer kleinen Stadt.«
    »Manchmal irren sie sich auch«, sagte Eva kurz. Sie mühte sich mit der harten Brotkruste ab und spürte, wie sich ihr ein Entschluß aufdrängte. Sie mußte etwas unternehmen.
    »Es gibt sicher haufenweise Männer, die bei dieser – dieser Dame waren, und die ein weißes Auto und kein Alibi haben.«
    Sie aß fertig und stand auf. Räumte den Tisch ab, schob ihre Brieftasche zwischen zwei Zeitungen im Wohnzimmer und suchte ihren Mantel. Dann umarmte sie den Vater rasch.
    »Wir sehen uns bald«, sie winkte, »ich komme bald wieder.«
    »Das hoffe ich wirklich.«
    Er rückte sein Gebiß gerade, denn das verschob sich gern, wenn er breit lächelte, und winkte ihr hinterher. Dann sah er zu, wie der Opel über die Straße huckelte, er merkte, daß er heftiger zitterte, das passierte ihm immer, wenn er Gesellschaft gehabt hatte und dann plötzlich wieder allein war. Bald hielt Eva in gleichmäßigem Tempo auf den Hovtunnel zu. Ich fahre in die Rosenkrantzgate, dachte sie, zu dem grünen Haus. Und stelle fest, wer er ist. Sie hatte eine Schultertasche im Auto liegen, und mit ihrem langen Rock konnte sie eine Vertreterin oder eine Missionarin von irgendeiner Sekte sein. Vielleicht konnte sie sogar kurz die Frau sehen oder ein Wort mit dem Sohn wechseln, wenn

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