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Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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wünsche.
    »Seit wann interessierst du dich fürs Essen?« fragte er dann plötzlich. »Du ißt doch sonst nur Brot.«
    »Ich werde vielleicht langsam erwachsen. Nein, ich weiß nicht, ich habe einfach Lust dazu. Brei und Rotwein passen doch nicht gut zueinander.«
    »Das ist doch purer Unsinn! Ein guter salziger Roggenbrei mit ausgelassenem Speck und dazu Rotwein ist doch wunderbar.«
    »Ich will zu Lorentzen, diesem Feinkostladen. Hast du sonst noch irgendwelche Wünsche?«
    »Ewige Jugend«, grunzte er.
    Eva runzelte die Stirn. Sie mochte solches Gerede nicht.
    Ohne mit der Wimper zu zucken bat sie um ein Pfund Filetsteak. Die kräftige Frau hinter dem Tresen trug Wegwerfhandschuhe, sie packte resolut ein Stück Fleisch, das ungefähr dieselbe Farbe hatte wie eine Leber. Sah Filetsteak wirklich so aus?
    »Am Stück oder in Scheiben?«
    Sie hob schon ihr Messer.
    »Was ist denn besser?«
    »Dünne Scheiben. Sie lassen die Butter nußbraun werden, dann ziehen Sie die Scheiben durch die Pfanne. Ungefähr so, als wollten Sie barfuß über frischgelegten Asphalt laufen. Und braten Sie sie um Himmels willen nicht.«
    »Ich glaube nicht, daß mein Vater rohes Fleisch essen mag.« »Fragen Sie nicht, was er will, tun Sie einfach, was ich Ihnen sage.«
    Sie lächelte plötzlich, und Eva war hingerissen von der dicken Frau in ihrem weißen Nylonkittel und dem niedlichen Spitzenhäubchen. Eine Art Hygienesymbol vielleicht, aber es sieht eher aus wie eine kleine Königskrone, überlegte sie, und das viele tote Fleisch hinter dem Tresen ist ihr Reich, da regiert sie.
    Die Frau wog die Scheiben ab und klebte den Preis darauf, behutsam, als gelte es, eine Wunde zu verbinden. Einhundertdreißig Kronen, es war nicht zu glauben. Eva wanderte ein Weilchen zwischen den Regalen umher, nahm die eine oder andere Kleinigkeit heraus und legte alles in ihren Korb; sie wollte die Sachen im Kühlschrank deponieren, ohne ihrem Vater etwas zu sagen, sonst würde er es nicht annehmen. Käse, Leberwurst, zwei Packungen vom besten Kaffee, Butter, Sahne. Gefüllte Kekse. Und ganz spontan nahm sie drei Herrenunterhosen vom La-Mote-Ständer. Die konnte sie nur in seine Kommode schmuggeln und hoffen, daß er sie auch benutzte. An der Kasse nahm sie sich noch eine Schachtel Mozartkugeln, zwei Illustrierte und eine Stange Zigaretten. Der Endbetrag war überwältigend. Aber sie fand, alle alten Menschen müßten sich, auf jeden Fall jeden Freitag, so einen Einkaufskorb leisten können, damit sie es sich am Ende ihres Lebens noch ein bißchen gemütlich machen konnten. Die jungen Leute können Brei essen, dachte sie. Sie bezahlte, brachte ihre Plastiktüten ins Auto und fuhr zurück.
    »Warum er das wohl getan hat?« fragte der Vater, während er das zarte Fleisch verzehrte.
    »Was denn?«
    »Sie umgebracht. Im Bett, und überhaupt.«
    »Warum willst du das wissen?«
    »Interessiert dich das denn nicht?«
    Eva kaute erst langsam, vor allem zum Schein, sie hätte das Fleisch am Stück hinunterschlucken können.
    »Im Grunde schon. Aber warum fragst du?«
    »Mich interessieren die schwarzen Seiten der Menschen. Du bist doch Künstlerin, interessiert dich das nicht? Das menschliche Drama, meine ich.«
    »Aber sie hat doch in einer etwas speziellen Szene verkehrt. Da kenne ich mich nun mal nicht aus.«
    »Sie scheint in deinem Alter gewesen zu sein.«
    »Ja, und ziemlich dumm war sie offenbar auch. Solche Geschäfte zu betreiben ist ja nicht besonders gescheit. Sie hat wohl nur eins gewollt: Soviel Geld wie möglich in der kürzestmöglichen Zeit. Steuerfrei. Sie hatten sicher Streit, oder so.«
    Sie füllte das Glas ihres Vaters und gab neue Soße über sein Fleisch.
    »Es gibt eine Art Schwelle, die sie überschreiten müssen«, sagte ihr Vater nachdenklich. »Ich wüßte gern, worin die besteht, was dazu gehört. Warum manche sie überschreiten, während andere nicht einmal im Traum daran denken würden.«
    »Das kann allen passieren«, sagte Eva. »Das entscheidet der Zufall. Und sie überschreiten die Schwelle sicher auch nicht – sie rutschen darüber. Sie sehen sie erst, wenn sie auf der anderen Seite sind, und dann ist es zu spät.«
    Es ist zu spät, dachte sie verblüfft. Ich habe ein Vermögen gestohlen. Das habe ich wirklich getan.
    »Ich habe einmal bei der Arbeit einem Kerl eine gescheuert«, sagte ihr Vater plötzlich. »Weil er so gemein war. Ein richtig mieser Typ. Danach hatte er dann wirklich Respekt vor mir, er schien das akzeptiert zu

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