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Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Geschichte, er hatte ja auch Familie, soviel ich weiß. Aber er war einer unserer wirklich zuverlässigen Leute. Hat fast nie gefehlt, das sehe ich gerade, in den ganzen sieben Jahren nicht. Und das sagt ja wohl einiges. Aber ich sehe mal im September, Oktober letzten Jahres nach.« Sejer konnte hören, daß der andere in seinen Papieren blätterte.
    »Es kann eine Weile dauern, hier arbeiten schließlich hundertfünfzig Mann. Soll ich vielleicht zurückrufen?«
    »Ich warte lieber.«
    »Na gut.«
    Die Stimme wich einem Trinklied, das nun durch die Leitung dröhnte. Mein Mann ist gefahren ins Heu. Im Grunde nicht schlecht, dachte Sejer, jedenfalls besser als die übliche Plastikmusik. Es war eine dänische Version, mit Akkordeon, richtig schmissig.
    »Ja, genau.«
    Er räusperte sich.
    »Sind Sie noch da? Er hat an einem Tag im Oktober seine Karte ziemlich spät abgestempelt, sehe ich gerade. Am 2. Oktober. Da kam er erst um halb zehn. Hatte wohl verschlafen. Diese Jungs sitzen da doch ziemlich viel in der Kneipe herum.«
    Sejer trommelte mit den Fingern.
    »Vielen Dank. Aber noch eine Kleinigkeit, wo ich Sie schon an der Strippe habe. Frau Einarsson ist jetzt allein mit ihrem sechs Jahre alten Sohn, und sie hat von Ihnen wohl noch kein Geld bekommen, kann das stimmen?«
    »Hm, ja, das ist wohl richtig.«
    »Wie ist das möglich? Einarsson war doch über die Firma versichert, oder nicht?«
    »Doch, ja, doch, ja, aber wir konnten doch nicht sicher wissen, was passiert war. Und dann sind die Regeln eindeutig. Es kommt doch auch vor, daß Leute sich einfach verdrücken. Egal warum, man weiß ja nie, die Leute kommen heutzutage auf die seltsamsten Ideen.«
    »Aber dann hätte er sich erst die Mühe machen und ein Huhn oder so schlachten müssen«, sagte Sejer trocken. »Um das Blut über sein Auto zu gießen. Ich gehe davon aus, daß Sie die Einzelheiten gehört haben?«
    »Ja, das ist schon richtig. Aber ich kann versprechen, daß ich die Sache forcieren werde, wir haben jetzt ja, was wir brauchen.«
    Er schien verlegen zu sein. Sein Finnmark-Akzent kam immer stärker durch.
    »Dann verlasse ich mich darauf«, sagte Sejer.
    Und er nickte langsam. Es war schon seltsam, und es konnte natürlich ein Zufall sein. Daß Einarsson genau an diesem Tag verschlafen hatte. Am Tag nach dem Mord an Maja Durban.
    Um das Königliche Wappen zu erreichen, mußte er über die Brücke. Er fuhr langsam und bewunderte die Skulpturen, die im Abstand von einigen Metern zu beiden Seiten aufgestellt waren. Sie stellten Frauen bei der Arbeit dar, Frauen mit Krügen auf dem Kopf, mit Säuglingen im Arm, oder tanzende Frauen. Eine zum Schwindeln schöne Vorstellung hoch über dem schmutzigen Flußwasser. Danach bog er beim alten Hotel rechts ab und fuhr langsam durch die Einbahnstraße.
    Er hielt an und schloß den Wagen ab. Das Lokal war dunkel und stickig, Wände und Möbel und überhaupt alles Inventar waren in Tabak und Schweiß gebeizt, ihr Geruch war wie eine Imprägnierung ins Holz eingezogen und hatte der Kneipe die Patina gegeben, die die Gäste wünschten. Und wirklich hing das Königliche Wappen in Form von alten Schwertern, Revolvern und Gewehren an den mit Jute verkleideten Wänden, sogar eine fesche alte Armbrust war vertreten. Sejer blieb vor dem Tresen stehen, um seine Augen zuerst an die Dunkelheit zu gewöhnen. Hinten im Lokal sah er eine doppelte Schwingtür. Jetzt öffnete die sich, und ein kleinwüchsiger Mann in weißer Kochjacke und Hosen in Pepitamuster kam zum Vorschein.
    »Sind Sie der Geschäftsführer?«
    »Ja. Aber ich kaufe nicht an der Tür.«
    »Polizei«, sagte Sejer.
    »Das ist etwas anderes. Ich mach’ nur schnell die Gefriertruhe zu.«
    Der Mann verschwand. Sejer sah sich um. Die Kneipe hatte zwölf hufeisenförmig plazierte Tische, an jedem Tisch hatten sechs Gäste Platz. Im Moment war kein Mensch im Lokal, die Aschenbecher waren leer, und in den Kerzenhaltern fehlten die Kerzen.
    Der Koch, der also der Geschäftsführer war, kam wieder durch die Schwingtüren und nickte zuvorkommend. Statt einer Kochmütze benutzte er Fett oder Gelee oder eine andere bindende Masse, seine Haare lagen so schwarz und blank an seinem Kopf an wie ein Mistkäferpanzer. Nur ein Orkan könnte vielleicht ein Haar erwischen und in die Suppe wirbeln, überlegte Sejer.
    »Sind Sie jeden Abend hier?«
    Der Mann hob seinen Hintern auf einen Barhocker.
    »Yes, Sir, jeden einzelnen Abend. Abgesehen vom Montag, dann haben wir

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