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Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Zeitung und ging. Als er nach Hause kam, nahm er eine Packung Sauerrahmbrei aus der Gefriertruhe. Er war fertig gekauft, schmeckte aber sehr gut. Sejer war kein besonders guter Koch, kochen war in Elises Ressort gefallen. Ihm war das jetzt irgendwie egal. Früher hatte er den Hunger als bohrendes Gefühl im Magen empfunden, manchmal war er sehr gespannt gewesen, was Elise wohl im Kochtopf hatte. Jetzt war der Hunger eher ein kläffender Hund, und wenn er wirklich Krach machte, warf er ihm eine Portion Hundekuchen hin. Sejers Stärke war das Spülen. An jedem Tag ihrer langen Beziehung, die über zwanzig Jahre gedauert hatte, hatte er gespült. Er ließ sich auf den Stuhl am Küchentisch sinken, aß langsam seinen Brei und trank dazu ein Glas Saft. Seine Gedanken wanderten und landeten bei Eva Magnus. Er suchte nach einem Vorwand, um sie noch einmal aufzusuchen, konnte aber keinen finden. Ihre Tochter war vielleicht im selben Alter wie Jan Henry. Und der Ehemann hatte sie verlassen und war Marie Durban wahrscheinlich nie begegnet. Aber deshalb war es ja nicht verboten, mit ihm zu sprechen, von Durban gehört hatte er sicher. Sejer wußte, daß die Kleine jedes zweite Wochenende bei ihrem Vater verbrachte, der wohnte also in der Gegend. Er versuchte, sich an den Namen zu erinnern, aber er fiel ihm nicht mehr ein. Doch der ließ sich feststellen. Einfach sicherheitshalber, man wußte ja nie. Ein neuer Name für die Liste. Und Zeit hatte er genug. Er aß zu Ende, spülte den Teller kurz ab und ging zum Telefon. Rief im Klub an und ließ sich für den nächsten Samstag fürs Springen eintragen, falls es nicht zu windig wäre, denn Wind konnte er nicht vertragen. Danach schlug er im Telefonbuch den Namen Magnus nach, ließ den Finger langsam über die Namensspalten gleiten. Bis er glaubte, einen wiederzuerkennen: Jostein Magnus. Dipl. Ing. Adresse: Lille Frydenlund. Sejer ging wieder in die Küche, machte sicheine große Tasse Kaffee und setzte sich im Wohnzimmer in einen Sessel. Sofort kam Kollberg und legte ihm den Kopf auf die Füße. Sejer öffnete die Zeitung, und mitten in einem glühenden Appell für die Europäische Union schlief er ein.
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    E mma war wieder zu Hause, und das war eine Erleichterung. Eva dachte immer wieder dasselbe, es war besser, die Kleine in der Nähe zu haben, dann war sie immerhin beschäftigt. Jetzt konnte sie nur noch warten. Sie nahm ihre Tochter an der Hand, an der weichen, molligen Hand, und ging mit ihr zum Auto. Die rosa Schultasche, die bei Evas Vater auf sie wartete, hatte sie noch mit keinem Wort erwähnt, die sollte eine Überraschung sein. Sie wollte ihren Vater nicht um das Freudengeheul bringen, das gab es in seinem Leben nicht allzu oft. Emma stieg hinten ins Auto und schnallte sich an, sie trug einen kastanienbraunen Hosenanzug, der ihr ziemlich gut stand, und Eva hatte ihr beim Frisieren geholfen. Evas Vater wohnte ein Stück weit entfernt, vielleicht eine gute halbe Stunde mit dem Auto, und schon nach fünf Minuten fing Emma an zu quengeln. Eva war irritiert. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, sie konnte nicht viel vertragen.
    »Krieg’ ich ein Eis?«
    »Wir sind gerade erst losgefahren. Wir können doch wohl ein einziges Mal zu Opa fahren, ohne etwas zu kaufen.« »Nur ein Safteis?« Du bist zu dick, dachte Eva, du solltest bis auf weiteres überhaupt nichts mehr essen.
    Sie hatte das Emma aber nie gesagt. Sie stellte sich vor, ihre Tochter sei sich dessen selber nicht bewußt, und wenn sie es laut sagte, würde das Fett zum ersten Mal zum wirklichen Problem werden. Und für Emma selber sichtbar sein.
    »Laß uns auf jeden Fall erst aus der Stadt herausfahren«, sagte Eva kurz. »Und Opa wartet. Vielleicht hat er gekocht, und dann dürfen wir uns nicht den Appetit verderben.«
    »Einen Appetit kann man doch wohl nicht verderben«, erwiderte Emma verständnislos. Sie kannte dieses Phänomen nicht, sie hatte immer Appetit.
    Eva gab keine Antwort. Sie dachte daran, daß bald die Schule anfangen würde, und dann mußte Emma zum Schularzt. Hoffentlich würde sie nicht die einzige mit diesem Problem sein, aber bei sechsundzwanzig Kindern in einer Klasse bestand immerhin eine gewisse Möglichkeit. Seltsam, hier saß sie nun und dachte an die Zukunft, an der sie vielleicht nicht einmal teilhaben würde. Vielleicht würde Jostein Emma zur Schule bringen. Ihre widerspenstigen Haare kämmen, die mollige Hand halten.
    Der Verkehr floß gleichmäßig dahin, und sie hielt sich

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