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Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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ist. Denn dann kann ich ihn von der Liste streichen. Und so machen wir weiter, weißt du, bis nur noch ein Name übrig ist.«
    »Der kriegt bestimmt einen tierischen Schreck, wenn Sie mit dem Auto da auftauchen!«
    »Ja, bestimmt. Das geht allen so. Das ist wirklich witzig, weißt du, fast alle Leute haben aus irgendeinem Grund ein schlechtes Gewissen. Und wenn ich dann plötzlich vor der Tür stehe, kann ich ihnen richtig ansehen, wie sie in ihrer Erinnerung suchen, um herauszufinden, was ich vielleicht weiß. Wir sollten nicht darüber lachen, aber manchmal kann ich mir das dann doch nicht verkneifen.«
    Der Junge nickte und genoß die Gesellschaft dieses klugen Polizisten. Sie aßen ihr Eis zu Ende und gingen zum Auto zurück. Sejer ließ sich am Kiosk eine Papierserviette geben, wischte dem Jungen den Mund ab und half ihm mit dem Sicherheitsgurt.
    »Mama und ich fahren in die Stadt und holen Videos. Für sie eins und für mich eins.«
    Sejer schaltete und überprüfte den toten Winkel.
    »Was willst du denn sehen? Einen Schurkenfilm?«
    »Ja. Allein zu Hause 2. Den ersten hab’ ich schon zweimal gesehen.«
    »Dann müßt ihr mit dem Bus fahren. Wo ihr doch kein Auto habt.«
    »Ja. Das dauert ziemlich lange, aber das macht nichts, wir haben ja schließlich Zeit. Früher, als Papa – als wir noch ein Auto hatten, waren wir im Nu hin und zurück.«
    Er steckte den Finger in die Nase und bohrte ein bißchen.
    »Papa hat sich einen BMW gewünscht. Er hatte sich auch schon einen angeguckt. Einen weißen. Für den Fall, daß diese Frau den Manta haben wollte.«
    Sejer wäre fast auf den Bürgersteig gefahren. Sein Herz machte einen kräftigen Sprung, dann riß er sich zusammen.
    »Was hast du gerade gesagt, Jan Henry – ich habe nicht richtig zugehört, weißt du.«
    »Die Frau. Die unser Auto kaufen wollte.«
    »Hat er dir das erzählt?«
    »Ja. In der Garage. An dem Tag – am letzten Tag, an dem er zu Hause war.«
    »Eine Frau?«
    Sejer spürte, wie es ihm kalt den Rücken hinablief.
    »Hat er auch gesagt, wie sie hieß?« Er schaute in den Spiegel, wechselte die Fahrspur und hielt den Atem an.
    »Ja, der Name stand auf einem Zettel.«
    »Ach?«
    »Aber ich weiß ihn nicht mehr, das ist doch schon so lange her, weißt du.«
    »Auf einem Zettel? Hast du den gesehen?«
    »Sicher, er hatte ihn in einer von den Overalltaschen. Er lag auf dem Rücken unter dem Auto, und ich saß auf dem Tisch, wie immer. Nein, es war eigentlich kein Zettel, es war ein Blatt Papier. Oder ein halbes Blatt Papier.«
    »Aber du sagst, du hast es gesehen – hat er es aus der Tasche genommen?«
    »Sicher. Aus der Brusttasche. Er hat den Namen gelesen, und dann …«
    »Dann hat er das Papier wieder in die Tasche gesteckt?«
    »Nein.«
    »Hat er es weggeworfen?«
    »Ich weiß nicht mehr, was er damit gemacht hat«, sagte Jan Henry traurig.
    »Wenn du ganz scharf nachdenkst, meinst du, das fällt dir wieder ein?«
    »Ich weiß nicht.«
    Der Junge blickte den Polizisten ernst an, langsam ging ihm auf, daß dieser Zettel wichtig war.
    »Aber wenn es mir einfällt, dann sage ich Bescheid«, flüsterte er.
    »Jan Henry«, sagte Sejer leise, »das ist sehr sehr wichtig.«
    Sie hatten das grüne Haus erreicht.
    »Ich weiß.«
    »Wenn dir also irgend etwas über diese Frau einfällt, egal was, dann mußt du deiner Mutter sofort Bescheid sagen, damit sie mich anruft.«
    »Sicher. Wenn mir etwas einfällt. Aber es ist doch schon so lange her.«
    »Das stimmt. Aber es ist möglich, wenn man sich sehr anstrengt und an eine Sache denkt, jeden Tag – daß einem wieder einfällt, was man vergessen hatte.«
    »Machen Sie’s gut«, sagte Jan Henry.
    »Bis bald«, erwiderte Sejer.
    Sejer wendete und sah im Rückspiegel, wie der Junge zum Haus rannte.
    »Das hätte ich mir doch denken können«, sagte er zu sich selber, »daß der Kleine etwas weiß. Wo er doch immer mit seinem Vater in der Garage herumgehangen hat. Daß ich es auch nie lerne!«
    ---
    E ine Frau.
    Er dachte daran, als er vor dem Gericht parkte und die wenigen Meter zur Erik Børresens gate ging. Vielleicht waren sie auch zu zweit. Die Frau sollte ihn herauslocken, und ein Mann wartete im Hintergrund und übernahm die grobe Arbeit. Aber warum?
    In der Erik Børresens gate 6 lag ein Laden für sanitäre Artikel, deshalb ging Sejer zur Nummer 5, wo er im ersten Stock einen J. Mikkelsen fand. Dieser entpuppte sich als Arbeitsloser, deshalb war er zu Hause. Ein Mann von Mitte 20 mit Löchern an

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