Evas Auge
bin. Ich habe dir einen Extraschlüssel machen lassen. Komm jetzt, du mußt etwas essen.«
»Hast du das alles heute erledigt?«
»Ja. Und was hast du gemacht?«
»Geschlafen.«
»Dann kannst du heute nacht ja ein bißchen länger arbeiten.«
»Nein, Himmel, ich weiß nicht so recht – wenn ich mich überhaupt traue, dann muß doch einer genug sein, fürs erste Mal, meine ich. Du«, fügte sie nervös hinzu, »sind da viele miese Typen dabei?«
»Aber nicht doch.«
»Aber es kommt doch sicher vor, daß einer etwas Ekelhaftes sagt, oder gemein ist …«
»Nein.«
»Aber hast du denn keine Angst? So Abend für Abend allein mit fremden Männern?«
»Die Männer haben Angst, sie haben ein schlechtes Gewissen. Als erstes haben sie ihrer Frau eine gemeine Lüge aufgetischt, dann vergreifen sie sich am Haushaltsgeld, um mich zu bezahlen. Heutzutage ist es schlimm, wenn einer zu einer Nutte geht. In alten Zeiten warst du kein echtes Mannsbild, wenn du nicht in den Puff gingst. Nein, ich habe nie Angst. Ich bin doch Profi.«
Eva biß in ihr Brot und kaute langsam. Thunfisch mit Zitrone und Mayonnaise. »Aber bitten die dich denn nie um irgendwelche Sonderleistungen?«
»Nein, das kommt nur selten vor. Es gibt doch die Buschtrommel, sie wissen alles Nötige, ehe sie zum ersten Mal zu mir kommen.«
Sie öffnete eine Cola und trank lange.
»Sie wissen, daß ich eine anständige Nutte bin, bei der sexueller Schnickschnack nicht in Frage kommt. Ich habe fast nur feste Kunden, und die kennen mich. Sie wissen, was erlaubt ist, und wo die Grenze verläuft. Wenn sie Quatsch machen, dann dürfen sie nicht mehr herkommen, und das wollen sie nicht riskieren.«
Sie schloß mit einem leisen Rülpsen.
»Sind sie betrunken?«
»Ja, viele, aber nicht sternhagelvoll. Einen leichten Schwips haben sie ziemlich oft. Viele kommen gleich aus der Kneipe dahinten, aus dem Königlichen Wappen. Andere kommen um die Mittagszeit, mit Anzug und Diplomatenkoffer.«
»Weigern die sich manchmal, zu bezahlen?«
»Ist mir noch nie passiert.«
»Hat einer dich denn schon mal geschlagen?«
»Nix.«
»Ich weiß nicht, ob ich mich traue.«
»Was brauchst du dich denn da groß zu trauen?«
»Nein, ich weiß nicht – ich habe soviele Geschichten gehört.«
»Männer sind sauer, wenn sie nicht kriegen, was sie wollen, oder was?«
»Ja.«
»Sie kommen her, um zu kaufen, was sie brauchen, und das bekommen sie auch. Sie haben keinen Grund, Ärger zu machen. Ist es denn verwerflich, wenn Leute miteinander ins Bett gehen?«
»Natürlich nicht. Aber viele sind doch sicher verheiratet, haben Kinder und so.«
»Natürlich, gerade die kommen doch, gerade die sind unterversorgt. Verheiratete schlafen nicht so oft miteinander.«
»Jostein und ich wohl.«
»Ja, anfangs vielleicht. Aber wie hat es nach zehn Jahren ausgesehen?«
Jetzt wurde Eva rot.
»Oder meinst du vielleicht«, sagte Maja, »wir Frauen sollten uns auf irgendeine Weise aufsparen, für die große Liebe vielleicht? Glaubst du an die große Liebe, Eva?«
»Natürlich nicht.«
Sie nippte an der Cola.
»Verlieben die sich denn manchmal in dich?«
»Aber sicher. Vor allem die ganz jungen. Das finde ich sehr schön, und ich bin dann besonders nett zu ihnen. Im Frühjahr hatte ich zum Beispiel einen ganz jungen Mann hier, er hatte einen wirklich phantastischen Namen, seine Familie war französischer und spanischer Herkunft. Jean Lucas Cordoba. Hast du je so einen tollen Namen gehört? Stell dir mal vor, so zu heißen«, sagte Maja nachdenklich. »Man möchte fast heiraten, um sich diesen Namen zu sichern, was? Und dann war da noch Gøran, den werde ich nie vergessen. Der war Jungfrau, und ich mußte ihm alles erst mal erklären. Danach war er gerührt und dankbar. Es ist nicht leicht, Jungfrau zu sein, wenn du schon fünfundzwanzig und noch dazu bei der Polizei bist. Hat bestimmt ganz schön viel Mut erfordert, herzukommen.«
Eva hatte ihr Brot gegessen. Sie leerte ihr Glas und strich sich die Haare aus dem Gesicht.
»Sprecht ihr denn auch miteinander?«
»Wir wechseln ein paar Worte. Es sind immer dieselben Klischees, ich glaube, so ungefähr das, was sie hören wollen. Sie verlangen wirklich nicht viel, Eva, das wirst du bald feststellen.«
Maja stellte die Flasche weg.
»Jetzt ist es zehn vor sieben, und der erste kommt um acht. Der war schon mal hier, er ist eigentlich ein etwas übellauniger Heini, aber er ist schnell fertig. Den übernehme ich, und ich sage ihm, daß wir
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