Evas Auge
Konservendosen, die sie aus dem Regal nahm, alle waren schwer und dicht. Einige Flaschen Bier, noch mehr Wein. Maja hatte es nicht mehr geschafft, vor dem Winter die Hütte zu leeren. Der Lichtkegel glitt über den unebenen Steinboden, es roch nach Schimmel und Verwesung, ansonsten war alles kahl. Schließlich setzte Eva sich auf die untere Treppenstufe und leuchte noch einmal den ganzen kleinen Keller aus, langsam und sorgfältig. Keine Kartons oder Kisten oder Nischen in der Steinmauer. Ob es wohl möglich war, Geldscheine zusammenzurollen und sie in leere Weinflaschen zu quetschen? Nein, Himmel, sie erhob sich und kletterte wieder nach oben. Schloß die Luke vorsichtig wieder und machte sich an die Küchenschränke. Wenn dort Tassen und Gläser standen, machte sie sie gleich wieder zu, den Topfschrank dagegen untersuchte sie sorgfältiger, öffnete jedes Gefäß und leuchtete im ganzen Schrank herum. Sie schaute in den Gasherd, dann ging sie ins Wohnzimmer und blickte unter das Sofa. In den Büchern im Bücherregal, vielleicht, und es würde eine arge Mühe machen, jedes Buch zu öffnen, aber dort war das Geld natürlich nicht, dagegen konnte es im Kamin versteckt sein, vielleicht ein Stück nach oben im Schornstein. Eva setzte einen Fuß in den Kamin und leuchtete nach oben. Nichts. Dann fiel ihr die Bank neben dem Eßtisch ein. Solche Bänke ließen sich ja meistens aufklappen, und das war auch bei dieser der Fall. In der Bank lagen Pantoffeln und alte Skistiefel, Winterpullover, ein alter Anorak und zwei Flickenteppiche. Und dann entdeckte sie ein altes Radio und stellte sich vor, daß Maja es vielleicht geöffnet, die Röhren herausgenommen und dort das Geld versteckt hatte, aber sie war sich nicht sicher, ob Maja über ausreichende technische Kenntnisse für eine solche Operation verfügte.
Der Brotkasten, dachte Eva plötzlich, der Brotkasten in der Küche. Oder die Suppenschüssel auf dem Eckschrank. In der Wanduhr vielleicht? Und was war mit dem alten Rucksack, der an einem Nagel an der Wand hing – da ist es, dachte sie und riß ihn von der Wand. Leer. Eva leuchtete ihre Armbanduhr an, es war schon fast eins. Dann ging sie in die Schlafzimmer, hob Bettzeug und Matratzen hoch, ging doch die Kommoden und zwei Spinde voller Wind-und Daunenjacken durch. Ein altes Salzfaß war vollgestopft mit Schals und dicken Socken. Wieder in die Küche, wo sie die vielen kleinen Porzellangefäße öffnete, die genau das enthielten, was ihre Aufschrift verhieß, Salz, Mehl, Haferflocken und Kaffee. Dann auf den Flur, wo sie unter einem kleinen Vorhang vor einem Spülbecken nachsah, aber dort fand sie nur eine Waschschüssel, eine Spülbürste und eine klebrige Flasche Spülmittel. Nun blieb nur noch der Anbau. Die Werkstatt, der Geräteschuppen, das Klo. Die Tür quietschte bedrohlich, als sie sie öffnete, und der Raum hatte keine Fenster. Der Boden gab ein wenig nach. Eva hörte in der Stille ihre imprägnierte Windjacke knistern. Ein riesiger Arbeitstisch zog sich quer durch das Zimmer. An der Wand hing eine Platte mit Werkzeug, und jemand hatte den Platz jedes einzelnen Gerätes mit Bleistift markiert, so daß es leicht war, alles nach Gebrauch wieder an die richtige Stelle zu hängen. Noch ein Hackklotz.
Alte Gartenmöbel, eine von Mäusen angefressene Schaumgummimatratze, Skier und Skistöcke. Eine Schneeschaufel. Sie wußte nicht, wo sie anfangen sollte. Wenn sie nicht gleich die Klotür aufmachen und im Klo nachsehen wollte. Das Klo war winzigklein, hatte aber zwei Sitze, und es war weit bis zum Boden. Über beiden Löchern lagen Isoporplatten, und es roch auch nicht besonders, aber das Klo war wohl lange nicht benutzt worden, und es war kaltes Wetter. An der Wand hing ein Bild von Kronprinz Haakon in blauem Pullover mit V-Ausschnitt. Seine Zähne leuchteten in der Dunkelheit kreideweiß. Ob er wohl wußte, daß er in Klohäuschen herumhing? Auf dem Boden lag ein Stück Läufer. Eva schob die eine Platte beiseite und beugte sich darüber. Versuchte, den Atem anzuhalten, für den Fall, daß das Geld dort festgeklebt sei. Sie konnte nichts sehen. Sie schob auch die zweite Platte beiseite und leuchtete wieder, die dunkle Masse tief unten war nicht zu erkennen, aber Eva konnte einzelne weiße Papierstücke sehen. Stellte sich vor, daß die Millionen unten in diesem Sumpf lagen, in einem Metallkasten, zum Beispiel. Was für eine Idee aber auch! Sie erhob sich wieder und schöpfte Atem. Vielleicht sollte sie
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