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Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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ihr wirklich schon zuwider, hielt immer wieder nach einem Licht im dunklen Wald Ausschau und drehte die Heizung höher. Hier oben war die Luft anders, schärfer. Es war so verdammt weit! Elmer lag jetzt sicher im Bett, vielleicht standen die Albträume auch bei ihm Schlange, vielleicht saß er allein mit seinem dritten Whisky im Wohnzimmer, während seine Frau schon längst schlief, den Schlaf der Unschuldigen. Es war bestimmt nicht leicht, mit Majavor Augen ins Bett zu gehen, mit dem Gefühl ihrer strampelnden Beine unter sich, als er sie mit dem Kissen auf die Matratze gedrückt hatte, sie hatte sich bestimmt heftig gewehrt. Maja war stark gewesen, aber Männer waren so unglaublich viel stärker, Eva staunte immer wieder darüber. Sie mußten nicht einmal besonders groß sein, sie waren offenbar aus anderem Stoff gemacht. Plötzlich bremste sie. Weiter vorne brannte Licht, auf der linken Seite. Und bald sah sie das vertraute orangefarbene Schild, viereckig, mit einem großen S.
    Supermarkt. Und nun sah sie auch Straße und Brücke. Sie schenkte sich das Blinken, fuhr einfach hinüber, dann ging es vorsichtig im zweiten Gang den Hang hinauf. Ihr Puls beschleunigte sich wieder, und in Gedanken sah sie das Ferienhaus vor sich, einen kleinen dunklen Klotz, schlicht und unscheinbar, mit einem wirklich unvorstellbaren Schatz, das pure Märchenschloß, der Schlüssel zu einem sorgenfreien Leben. Maja hätte sie jetzt sehen sollen, der hätte das gefallen, sie mochte doch Menschen, die sich an den Freuden des Lebens bedienten. Auf jeden Fall hätte sie nicht gewollt, daß ihr Geld an den Staat fiel. Zwei Millionen – was das wohl an Zinsen bringen würde, sechs, sieben Prozent? Nein, auf die Bank konnte sie das Geld nicht bringen. Sie biß sich auf die Lippen, sie mußte das Geld wohl im Keller aufbewahren. Niemand durfte davon erfahren, Emma nicht, niemand. Und sie durfte nicht mit dem Geld um sich werfen, durfte nicht im Schlaf reden, durfte sich nicht betrinken. Das Leben wird eigentlich ziemlich kompliziert werden, dachte sie. Der Ascona kroch weiter aufwärts, ihr begegnete kein einziges Auto, sie hatte das Gefühl, auf einen anderen, menschenleeren Planeten geraten zu sein, selbst die Schafe waren verschwunden. Es war wohl zu kalt, Eva kannte sich da nicht aus. Nach fünfzehn Minuten kam sie rechts an der Herberge vorbei. Sie fuhr weiter, rechts lag jetzt der See, sie suchte eine Abzweigung zum Wasser. Es hatte nicht geschneit, aber hier oben war es heller, und der Himmel war so weit. Auf der linken Seite lag ein großes Ferienhaus, hinter einem Fenster brannte Licht. Sie fuhr zusammen. Wenn hier oben noch Menschen waren, dann mußte sie sich in acht nehmen. Die Leute hier oben hatten bestimmt Kontakt zueinander. Leute aus Oslo, die seit Generationen hier Ferienhäuser hatten. Ja, wir haben hier gestern abend ein Auto vorbeikommen sehen, das muß so gegen Mitternacht gewesen sein. Das Geräusch des Motors kannten wir nicht, Amundsen fährt doch einen Volvo, und Bertrandsen hat einen Mercedes Diesel. Es müssen also Fremde gewesen sein, da sind wir uns ganz sicher.
    Eva bog um die Kurve und behielt die ganze Zeit den See im Auge. Der See war ganz still und glitzerte metallisch, wie vereist. Sie entdeckte unten am Wasser einen kleinen Schuppen und nahm an, das dorthin ein Weg führte. Der Weg war voller Löcher, sie versuchte, sich nach unten durchzukämpfen, die ganze Zeit schaute sie sich um, konnte aber nirgendwo ein Licht entdecken. Sie hielt erst unten am Wasser an. Sie konnte auf der anderen Seite des Schuppens parken. Das machte sie. Schaltete Motor und Scheinwerfer aus, und einige Sekunden lang saß sie still in der bodenlosen Finsternis.
    Sie wollte gerade die Tür zuschlagen, überlegte es sich dann aber anders. Eine zuschlagende Autotür würde in dieser Stille wie ein Gewehrschuß wirken. Sie drückte die Tür vorsichtig zu, schloß nicht ab und steckte die Schlüssel in die Tasche. Dann nahm sie den Rucksack auf den Rücken, den Rucksack mit Hammer und Meißel und Taschenlampe, zog den Reißverschluß hoch und band die Kapuze zu. Wußte nicht mehr so recht, wie weit es von hier noch war, rechnete aber mit fünfzehn bis zwanzig Minuten. Es war jetzt schweinekalt, die Luft biß ihr in die Wangen, sie ging mit gesenktem Kopf und langen Schritten den Weg mit den vielen Löchern hoch. Hoffte, die Hütte wiederzuerkennen. Dahinter floß ein Bach, das wußte sie noch, sie hatten sich dort die Zähne geputzt und

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