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Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Kaffeewasser geholt.
    Auf allen Seiten ragten die Berge auf, schwarz und stolz. Den größten, den Johovda, hatten sie bestiegen, sie hatte über die Hardangervidda geblickt und sich seltsam klein gefühlt, aber es war ein gutes Gefühl gewesen, daß fast alles auf der Welt größer war als sie selber. Es hatte ihr gefallen. Witzig, dachte sie plötzlich, als sie allein durch die Dunkelheit ging, wir wissen, daß wir alle sterben müssen, und doch genießen wir das Leben. Der Gedanke rührte sie ein wenig.
    Sie bog um eine Kurve und sah in der Ferne einige Ferienhäuser. Mehrere, vier oder fünf, aber in keinem brannte Licht. Sie ging jetzt schneller. Konnte sie am Ziel sein? Hatte die Hütte nicht am Bach gelegen, oder stimmte ihre Erinnerung nicht? Nein, die Häuser waren wohl später gebaut worden, aber das spielte keine Rolle, solange kein Licht brannte und keine parkenden Autos zu sehen waren. Sie lagen so seltsam in der Landschaft, zufällig verteilt, wie aus einem Flugzeug abgeworfene Notrationen. Von weitem sahen alle schwarz aus, aber sie näherte sich dem ersten und hielt es eher für braun, die Fensterrahmen waren weiß. Ein Geweih ragte unter dem Giebel hervor. Eva wandte sich der linken Hütte zu, die dicht am Bach lag, aber die war nicht rot. Das mußte nichts heißen, vielleicht hatten sie sie ja gestrichen. Eva ging langsam weiter, an einer Wand hing ein Holzschild, es sah neu aus, und obwohl sie nicht mehr wußte, wie das Haus damals geheißen hatte, war sie sich jetzt sicher. Das hier war Majas Ferienhaus. Es hieß »Hilton«.
    Sie ging auf die Rückseite. Der Bach grub sich seinen Weg durch das Heidekraut, tiefer als in ihrer Erinnerung, aber sie erkannte die Steine, auf denen sie gesessen hatten, und den kleinen Weg, der sich wie eine blasse Schlange zur Haustür hochwand. Sie war am Ziel. Sie war allein. Niemand wußte etwas, und die Nacht war lang. Ich werde dieses Geld finden, dachte sie, und wenn ich mich mit den Fingernägeln durch den Bretterboden graben muß.
    Sie traute sich nicht, die Taschenlampe einzuschalten. Sie musterte im Dunkeln die Fenster, sie sahen ziemlich unsolide aus. Vor allem das Küchenfenster. Aber das saß ein bißchen hoch oben, sie brauchte etwas, auf das sie sich stellen konnte. Sie ging wieder um das Haus, fand ein kleines Holzlager und einen Hackklotz. Der war schwer, ließ sich fast nicht bewegen, aber er war wie geschaffen für ihr Vorhaben, fest und breit. Sie packte ihn und versuchte, ihn wegzuzerren. Es ging. Sie warf den Rucksack zu Boden und schleppte und stieß den riesigen Klotz um die Ecke und zum Küchenfenster. Dann holte sie den Rucksack und nahm Hammer und Meißel heraus. Als sie da mit dem Meißel in der Hand und mit vor Geldgier hämmerndem Herzen in der Dunkelheit stand, konnte sie fast nicht mehr atmen. Sie kannte sich selber nicht mehr. Das hier waren nicht ihr Haus und ihr Geld. Sie sprang wieder vom Klotz. Hielt sich einen Moment lang die Hände vor die Brust und füllte ihre Lunge mit eiskalter Luft. Plötzlich ragte der Johovda so drohend zum Himmel empor, als ob er sie warnen wolle. Sie konnte wieder nach Hause fahren und würde ihren Anstand fast gerettet haben, da waren nur die sechzigtausend, die sie schon hatte, aber dabei war sie nicht sie selber gewesen, sie hatte fast unkontrolliert zugegriffen, und deshalb war das zu verzeihen. Es war etwas anderes. Das hier aber war grober Diebstahl, sie nutzte Majas Tod aus. Langsam beruhigte ihr Herz sich wieder. Eva stieg wieder auf den Klotz. Mit leichtem Zögern schob sie den Meißel in einen Spalt zwischen Fenster und Wand. Das Holz war mürbe, der Meißel bohrte sich problemlos hindurch. Als sie ihn losließ, blieb er darin stecken. Sie sprang vom Klotz, nahm sich den Hammer und schlug den Meißel vorsichtig noch tiefer ins Holz. Dann ließ sie den Hammer los und drückte ihn zur Seite. Alles gab nach. Sie hörte brechende Bretter und die Fensterhaken innen, die mit leisem Klirren nachgaben. Das Fenster sprang ein Stück weit auf und hing locker am obersten Fensterhaken. Eva blickte sich um, hob den Rucksack auf und öffnete das Fenster endgültig. Dahinter befand sich ein schwarzer Vorhang. Sie preßte den Rucksack hindurch und warf das Werkzeug hinterher. Dann steckte sie den Kopf hinein, streckte die Arme aus und versuchte, sich ins Haus zu ziehen. Der Klotz hätte ruhig höher sein dürfen, sie mußte springen. Und die Öffnung war so schmal. Sie ging leicht in die Knie und machte dann

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