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Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Himbeerdrops und Salmiakpastillen enthalten hatte. Sie schloß die Augen und hörte, wie der Schaum in ihrem Ohr knisterte, als langsam die Luft aus ihm entwich. Ihre Haut gewöhnte sich an die Temperatur, nach dem Bad würde sie durch das heiße Seifenwasser runzlig und hellrot sein, wie die eines Säuglings. Eva hatte schon lange nicht mehr gebadet. Sie begnügte sich sonst mit einer raschen Dusche, und sie hatte vergessen, wie gut so ein Bad tat. Nur Emma wollte immer baden.
    Eva streckte die Hand nach dem Weinglas aus und trank ausgiebig. Später, wenn sie gebadet und das Geld gezählt hatte, wollte sie schlafen, vielleicht bis zum Abend. Die Müdigkeit saß hinter ihrer Stirn wie ein Bleigewicht. Jetzt zog das Bleigewicht ihren Kopf nach vorn, und ihr Kinn kam auf ihrer Brust zu liegen. Als letztes registrierte sie noch den Seifengeschmack im Mund.
    ---
    E s war der 4. Oktober, neun Uhr morgens. Eva schlief im kalten Badewasser. Sie befand sich mitten in einem geräuschvollen Traum, der ihr auf die Nerven ging. Als sie sich im Wasser umdrehte, um dem Traum zu entkommen, glitt sie in der Wanne ein Stück nach vorn. Ihr Gesicht geriet unter Wasser. Sie keuchte und verschluckte sich am Seifenwasser, sie röchelte und hustete, versuchte, aufzustehen, aber die Seiten der Porzellanwanne waren glatt, sie ging wieder unter, spuckte und würgte, bis ihr die Tränen kamen, dann konnte sie sich endlich aufsetzen. Sie fror wieder, und dann hörte sie die Türklingel.
    Erschrocken sprang sie auf und wollte aus der Wanne steigen. Dabei hatte sie ihren wehen Fuß vergessen. Sie schrie auf, kam ins Schwanken, weil sie so rasch aufgestanden war, und griff nach ihrem Morgenmantel. Ihre Armbanduhr lag auf dem Ablagebrett unter dem Spiegel, sie warf einen kurzen Blick darauf und fragte sich, wer in aller Welt denn schon so früh vor der Tür stehen könne. Für Vertreter und Bettler war es noch nicht spät genug, ihr Vater konnte sein Haus doch nicht mehr verlassen, und Emma hatte ihre Heimkehr noch nicht angemeldet. Die Polizei, dachte sie und band ihren Morgenrockgürtel. Sie hatte sich nicht vorbereitet, hatte einfach keine Zeit gehabt, um sich zu überlegen, was sie sagen wollte, wenn er wirklich noch einmal auftauchte, und nun war er da, da war sie sich ganz sicher. Dieser Hauptkommissar mit dem scharfen Blick. Natürlich mußte sie die Tür nicht aufmachen. Sie war schließlich in ihrem eigenen Haus die Herrin, und außerdem saß sie in der Badewanne, und es war einfach eine unchristliche Zeit für ein Verhör. Sie konnte doch einfach in der Badewanne stehenbleiben, bis er wieder weg war. Er würde sicher glauben, sie sei noch nicht aufgestanden oder vielleicht auch nicht zu Hause. Abgesehen davon, daß ihr Auto vor dem Haus stand, aber sie konnte doch den Bus genommen haben, das machte sie bisweilen, wenn sie kein Geld für Benzin hatte. Was er jetzt wohl von ihr wollte? Von Majas Geld wußte er nichts, falls sie kein Testament hinterlassen hatte, und vielleicht war das ja der Fall, und nun hatte er es gefunden, vielleicht hatte sie ihr ganzes Geld dem Notruf vermacht. Bei dem Gedanken drehte sich alles vor Eva. Natürlich war das möglich. Sie hatte kein Geld in einem Safe, dort lag ihr Testament, ein rotes Büchlein voller Wahrheiten über ihr Leben. Wieder wurde geklingelt. Eva faßte einen raschen Entschluß. Es brachte doch nichts, sich in der Badewanne zu verstecken, er würde schließlich nicht lockerlassen. Sie wickelte sich das Handtuch als Turban um den Kopf und ging barfuß zur Haustür, und dabei hinkte sie und jammerte bei jedem Schritt.
    »Frau Magnus«, er lächelte, »ich störe Sie mitten in Ihrer Toilette, das ist unverzeihlich. Ich kann natürlich später wiederkommen.«
    »Ich war sowieso gerade fertig«, antwortete sie kurz und blieb in der Tür stehen. Er trug eine Lederjacke und Jeans und sah aus wie jeder normale Mann, überhaupt nicht wie ein Feind, dachte sie. Der Feind, das war der Mann im Ferienhaus, wer immer das gewesen sein mochte. Vielleicht hatte er ihre Autonummer notiert. Bei diesem Gedanken wäre sie fast zusammengebrochen. Denn dann würde auch er bald vor ihrer Tür stehen. Daran hatte Eva noch gar nicht gedacht. Sie runzelte heftig die Stirn.
    »Darf ich einen Moment hereinkommen?«
    Sie gab keine Antwort, drückte sich nur an die Wand und nickte. Im Wohnzimmer nickte sie wieder, in Richtung Sofa, sie selber stand noch immer mitten im Zimmer, sie steht da wie eine Kältefront, dachte

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