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Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Titel: Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Carey
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nicht noch eine. Ich hatte ihr sogar Waldbeeren in die Einzelzelle geschmuggelt. Doch was sie Pip antat, ging einfach zu weit. »Du bist wahrscheinlich noch stolz auf dich,« brüllte ich, als Pip mit geschwollenen Augen und knallrotem Kopf zu den Wohnheimen zurückrannte. »Eine Sekunde lang war jemand noch jämmerlicher als du selbst!« Danach hatte ich allen unmissverständlich klargemacht, wie wenig ich von Arden hielt, wie erbärmlich sie schon immer in meinen Augen gewesen war. Bald sprach niemand mehr mit ihr. Nicht mal, um Geschichten über ihre Villa zu hören oder über ihre Eltern, die in der Stadt arbeiteten.
    Ich schluckte, das fade Essen war endlich weich genug, um es herunterzuwürgen. »Nein … ich würde nicht behaupten, dass wir Freundinnen sind.«
    Caleb lehnte sich gegen die Rückseite des Pilotensitzes und kratzte sich am Hinterkopf. »Deshalb ist sie also davongeschwommen. Es ist ihr –«
    »Genau«, fuhr ich ihn an. »Für Arden zählt nur sie selbst. So war sie schon immer.«
    Caleb starrte mich einen Moment überrascht an. Dann packte er die leeren Dosen wieder in die Kiste. Er steckte den Kopf durch das eingeschlagene Fenster und blickte sich um. »Weißt du, wir sollten über Nacht hierbleiben. Vielleicht fängt es noch mal an zu regnen und die Soldaten kommen sowieso erst zurück, wenn das Wetter besser ist. Vielleicht taucht Arden morgen wieder auf.«
    »Wird sie nicht«, murmelte ich leise. Ich hatte Arden schon vorher kaum davon überzeugen können, bei mir zu bleiben. Jetzt, da sie wusste, dass ich eine Zielscheibe war, rannte sie wahrscheinlich gerade durch den Wald, um so viel Abstand wie möglich zwischen uns zu schaffen.
    Caleb und ich holten zwei dünne Silberdecken aus der Kiste und kuschelten uns in dem feuchten Cockpit in entgegengesetzte Ecken. »Es sind nur ein paar Stunden, bis wir uns wieder auf den Weg machen«, fügte er hinzu. »Du brauchst keine Angst zu haben.«
    »Hab ich nicht«, versicherte ich ihm.
    Die Laterne leuchtete schwächer und erlosch schließlich.
    »Gut«, meinte er. Doch als er eingeschlafen war, dachte ich wieder an die Stadt aus Sand und an den Mann, der mich dort erwartete. Der König war immer etwas Beruhigendes für uns gewesen, ein Symbol der Stärke und des Schutzes. Doch sein Porträt in der Schule hatte nun – mit seinen Hängebacken und den Knopfaugen, die mir überallhin zu folgen schienen – etwas Bedrohliches. Warum hatte er ausgerechnet mich, die ich dreißig Jahre jünger war, ausgewählt, seine Kinder zu gebären? Warum ich unter all den Mädchen in der Schule? Die Lehrerinnen hatten ihn immer als Ausnahme beschrieben – als den einzigen Mann, dem man trauen konnte. Es war noch eine Lüge mehr.
    Ich wusste, dass der König mich weiterhin suchen lassen würde. Ich wusste, dass er nicht aufgeben würde. Nicht nach den Geschichten über seinen unnachgiebigen Einsatz für das Neue Amerika. Schulleiterin Burns hatte die Hände über der Brust gefaltet, als sie darüber gesprochen hatte, wie er die Menschen nach der Epidemie aus der Unsicherheit gerettet hatte. Seiner Meinung nach hatten wir keine Zeit für Debatten, wir mussten unablässig vorwärtsschreiten, ohne innezuhalten. »Nur eine Chance«, hatte die Schulleiterin wiederholt, während sich ihre Augen mit patriotischen Tränen füllten. »Wir haben nur eine Chance, alles wieder aufzubauen.«
    Meine Kleider waren immer noch durchnässt. Ich wrang langsam und vorsichtig den Saum meines Hemdes und meiner Hose aus und ließ das Wasser auf den Boden tropfen. Als wir jünger gewesen waren, rannte mir Ruby einmal auf dem Flur hinterher und tat, als wäre sie ein Ungeheuer mit scharfen Klauen und knirschenden Zähnen. Ich kreischte, duckte mich hinter Mülleimer und knallte Türen hinter mir zu, um ihr zu entkommen. Ich flehte sie an aufzuhören, rief in Panik über meine Schulter hinweg nach ihr, aber sie fand es bloß zum Totlachen. Als sie mich erwischte, keuchte ich. Das Spiel war so wirklich. Die Angst, die ich empfunden hatte, als ich gejagt worden war, vergaß ich nie wieder.
    Als ich mir die dünne Decke über die Schultern zog und die Augen schloss, sehnte ich mich nach der Bequemlichkeit meines ehemaligen Bettes, nach den gestärkten Laken, die immer zurückgeschlagen waren und mich zum Schlafen einluden. Ich träumte von dem vertrauten Geruch eines Rehgerichts oder den Fensterplätzen in den Bibliotheksarchiven, auf denen Pip, Ruby und ich immer gesessen und der verbotenen

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