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Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Titel: Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Carey
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funkelnden Augen. Darunter war eine bunte Zeichnung einer Strichmännchenfamilie. Alle drei – Vater, Mutter, Kind – waren von unheilvollen Geistern umgeben, deren Umrisse mit schwarzem Stift angedeutet waren.
    In jenen letzten Tagen hatte ich so viel gezeichnet, wie ich konnte. Ich saß an meinem blauen Plastiktisch im Erdgeschoss und verwandelte einen Stapel Papier in bunte Bilder für meine Mutter. Ich malte uns, wie sie mich in dem Karussell auf dem alten Spielplatz in der Nähe unseres Hauses herumwirbelte. Ich zeichnete sie im Bett und daneben den Arzt, der einen Zauberstab in der Hand hielt und sie heilte. Ich zeigte ihr unser Haus, um das ein Zaun lief, um das gemeine Virus abzuhalten. Anschließend schob ich die Bilder unter ihrer Tür durch – es waren meine besonderen Geschenke für sie. »Küsschen«, würde sie antworten und gegen die andere Seite der Tür klopfen. »Wenn ich könnte, würde ich dir tausend Küsse geben.«
    Bevor ich mich wieder dem leeren Zimmer zuwandte, betrachtete ich ein letztes Mal das Gesicht der jungen Frau. Über mir hörte ich ein Knacken und ging dem Geräusch nach.
    »Arden?«, rief ich und lief den stillen Flur hinunter. Die Dielen knarrten bei jedem Schritt. Durch die zerbrochenen Fensterscheiben wehte der kühle Wind. »Wo bist du?«
    Ich spähte in ein winziges Badezimmer, dessen Boden an den Stellen, wo die Fliesen herausgebrochen waren, voller Löcher war. »Arden?«, rief ich. Meine Stimme hallte von den Wänden wider.
    Am Ende des Flurs stand eine Tür einen Spalt weit offen. Im Vorbeigehen kam ich an einem Zimmer mit einem vermoderten Bett vorbei, aus dessen Matratze die Sprungfedern herausragten.
    Ich schlich mich näher, indem ich mich an der Wand entlangtastete. An einigen Stellen löste sich die Tapete ab und schabte an meinen nackten Armen. Mein Puls ging schneller, Schweiß lief mir den Rücken hinunter. Wir waren in aller Eile in das Haus gerannt, doch bevor wir uns aufteilten, hätten wir es durchsuchen sollen. Es bestand immer die Gefahr, dass uns jemand beobachtete.
    Die Tür vor mir war eingetreten. Ich warf einen Blick hinein. Es war ein Kinderzimmer, darin stand eine Truhe mit eingestaubtem Spielzeug, die Wände waren leuchtend blau gestrichen. Auf einem Puppenbett saßen ein paar ramponierte Plüschtiere. Ich trat in den Raum und nahm einen einarmigen Teddybären hoch, der aussah, als hätte er schon vor der Epidemie seine besten Zeiten hinter sich gehabt.
    Es passierte blitzschnell. Ich hörte Schritte hinter mir. Mein Körper knallte mit einem dumpfen Schlag auf den Boden. Ich stieß einen Schrei aus, als mich eine Gestalt mit Clownsmaske auf den Boden drückte. Das schiefe knallrote Lächeln schien mich zu verhöhnen.
    »Bitte bring mich nicht um!«, schrie ich. »Bitte!«
    Der Clown hielt einen Moment inne, seine Hände drückten meine Schultern auf die zersplitterten Dielen. Dann hörte ich ein ersticktes Kichern. Arden zog die Maske von ihrem Gesicht und ließ sich fallen, ihr Körper wurde von einem Lachanfall geschüttelt.
    »Tickst du noch ganz richtig?«, brüllte ich und sprang auf die Füße. »Warum machst du so was?«
    In der Türöffnung erschien Caleb, sein Gesicht war leichenblass. »Was ist passiert? Ich hab dich schreien gehört.« In jeder Hand hielt er eine rostige Dose.
    Ich zeigte auf Arden, die sich auf die Seite rollte und tief und kehlig vor sich hin lachte. Mit dem Saum ihres Hemdes wischte sie sich die Augen ab. »Arden hat mich erschreckt. Mit voller Absicht. Das ist passiert.«
    Calebs Blick wanderte von ihr zu mir. Sein Mund stand offen, doch es kam kein Wort heraus. Mein Herz schlug wie verrückt in meinem Brustkorb.
    »Das ist absolut nicht lustig«, brachte ich schließlich heraus. »Ich hätte ein Messer haben können. Ich hätte dich umbringen können!« Ich lief auf und ab und schlug eine Hand in die andere, um der ganzen Sache Nachdruck zu verleihen. Arden lag auf den Knien, mit gewölbtem Rücken und dem Gesicht zum Boden. »Arden – sieh mich an. Würdest du dich einfach mal umdrehen und mir ins Gesicht sehen?« Ich brüllte sie an.
    Caleb packte mich am Arm und zog mich zurück.
    Arden hob den Kopf nicht, ihr schwarzer Bob war völlig zerzaust. Sie krümmte sich. Ihre Handfläche schlug auf den Boden.
    »Arden?«, wiederholte ich, dieses Mal sanfter.
    Sie drehte sich um, ihr Oberkörper hob und senkte sich. Ihre Augen waren zusammengekniffen und ihr Gesicht gerötet und verzerrt. Ich stand da und streckte

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