Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Titel: Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Carey
Vom Netzwerk:
glauben, aber ich habe sie gesehen –«
    »Dann hast du was Falsches gesehen«, fuhr Lark mich an. Sie kniete sich hin. »Du hast keine Ahnung, was du da redest. Die Schulleiterin ist böse … aber das kann nicht wahr sein.« Sie schüttelte den Kopf. »Vielleicht war das nur an eurer Schule so. Uns würden sie das nicht antun – warum sollten sie?«
    Arden beugte sich vor, ihre Hand packte Larks dünnen Arm. »Hör auf uns«, zischte sie. Lark verzog das Gesicht, als sie Ardens Mundgeruch roch. »Hör auf das, was wir dir sagen. Sie müssen die Stadt wieder bevölkern. Was glaubst du, wie sie das anstellen werden? Wie?«
    »Lass mich los«, verlangte Lark, schüttelte ihren Arm und zog sich wieder in ihre Ecke zurück. »Ihr seid verrückt.« Doch ihre Stimme war leiser und nicht mehr so sicher.
    »Wenn du für den Rest deines Lebens eine Sau sein willst, steht dir das frei«, sagte Arden. Sie deutete mit einem Finger auf Lark. »Aber wir werden nicht in die Schule zurückgehen, ich jedenfalls nicht, ich werde nie wieder –« Ihr Mund zuckte, bevor sie die Worte aussprechen konnte. Als sie sich hinsetzte, wirkte ihr Körper so viel kleiner und zarter als vorher.
    Ich spürte, dass wir beobachtet wurden, und als ich mich umdrehte, begegnete ich im staubigen Rückspiegel Fletchers Blick. Die Musik verstummte und er öffnete das Rückfenster des Fahrerhauses.
    »Mach dir keine Sorgen, mein Zuckerpüppchen«, rief er. »Ich bringe euch nicht zur Schule zurück.« Er bog den Spiegel nach unten, um Ardens nackte Beine zu begaffen. »Drei so … unschuldige junge Damen? Woanders kriege ich so viel mehr Geld für euch.«
    Nach dieser Bemerkung drehte er die Musik wieder auf volle Lautstärke auf und trommelte mit den Fingern gegen die Seitentür.
    Arden sagte nichts, sondern versuchte es wieder mit dem Metallschloss am Käfig. Sie schlug dagegen, bis ihre Finger rot waren. Die Landschaft rauschte vorbei, ein verschwommener Eindruck gelber Erde. Die Äste der Bäume bogen sich wie knorrige Hände zur Straße.
    »Was meint er damit?«, fragte Lark und sah mich an. Ihre Unterlippe zitterte beim Sprechen.
    In diesem Moment hasste ich sie, diese Fremde, weil sie mir so vertraut vorkam. In ihrem Gesicht erkannte ich jemanden, der ich einmal gewesen war, ein Mädchen, das so überzeugt gewesen war vom Ziel der Schule mit ihren Mauern und Regeln und den geordneten Reihen, in denen die Mädchen an den Schlafsälen vorbei zum Speisesaal gingen. Lark bildete sich ein, sie könnte woanders hingehen und würde etwas anderes, etwas Besseres erhalten. Eine andere Zukunft.
    »Dein Wunsch geht in Erfüllung«, sagte ich und konnte nicht verhindern, dass mir die kalten Worte über die Lippen kamen. »Du wirst die Schulleiterin nicht wiedersehen.«

VIERUNDZWANZIG
    Wir saßen stundenlang hinten auf dem Laster und schluckten Staub. Schließlich ließ uns selbst die Sonne im Stich und ging zwischen den Bäumen unter. Da wir dachten, wir hätten noch Zeit – um uns vorzubereiten, um zu entkommen –, waren wir immer wieder eingenickt, doch dann meldete sich der Apparat an Fletchers Gürtel und weckte uns.
    »Fletcher, du Teufel! Wann kommst du voraussichtlich an? Ich kann mich vor Nachfragen nicht retten und habe nicht genug im Angebot.«
    Ich kauerte in einer Ecke. Lark schlief in der anderen und Arden lag neben mir zu einer Kugel zusammengerollt, die Gesichter der beiden waren im schwachen rötlichen Licht der Rücklichter kaum zu erkennen.
    Fletcher hielt das seltsame Funkgerät an seinen Mund und drückte auf einen seitlichen Knopf, um die Störgeräusche zu beseitigen. »Pack dir Eis auf die Eier«, gluckste er. »Ich lege über Nacht Rast ein. Morgen früh sind wir bei dir.«
    Man hörte Rauschen, anschließend ein hartes Lachen. »Lass hören, was du eingefangen hast. Na komm, gib den Jungs schon mal einen kleinen Vorgeschmack.«
    Ich stellte mir vor, dass die Männer wie die Bande aussahen, die ich in der Hütte gesehen hatte; die Haut ledrig und braun gebrannt würden sie unter einer Zeltplane auf unsere Ankunft warten. Ich streckte meine Nase durch die Gitterstäbe, ich brauchte unbedingt mehr Luft.
    »Sie sind alle ganz schön heiß«, verriet Fletcher und musterte uns im Rückspiegel. »Du kriegst sie morgen, du gieriger Scheißkerl.« Er warf das Funkgerät auf den Boden und drehte die Musik wieder an.
    Damals in der Schule hatte ich für das Gute im Menschen Partei ergriffen, für die unbegrenzte Fähigkeit, sich zu ändern.

Weitere Kostenlose Bücher