Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt
Soldaten vor meiner Tür postieren. Ich würde den Palast nicht mehr verlassen können. Das wäre unerträglich gewesen, wenn Caleb noch in den Außenbezirken gewesen wäre. Wenn ich noch einen Grund gehabt hätte zu fliehen.
»Was immer er dir erzählt hat, Genevieve, was immer er gesagt hat, er benutzt dich. Es gibt Hunderte von Dissidenten in der Stadt. Einige arbeiten mit Streunern von draußen zusammen. Vielleicht wusste er vor dir, dass du meine Tochter bist.«
»Du weißt überhaupt nichts über uns.« Ich trat einen Schritt zurück, ich hasste es, wie einfach all die Warnungen aus der Schule zurückkamen, meinen Kopf füllten und alles in der Vergangenheit und Gegenwart beeinflussten. Caleb hatte sich selbst ein Bild von mir gemacht, als wir uns getroffen hatten. Er war am Fluss bei mir geblieben und hatte mir geholfen, mich zu verstecken, obwohl die Soldaten uns dicht auf den Fersen waren. Es stimmte nicht. Ich wusste, dass es nicht so sein konnte. Trotzdem hingen die Anschuldigungen in der Luft.
»Dich verbindet nichts mehr mit ihm«, sagte der König. »Es gibt kein ›wir‹. Du bist die Prinzessin des Neuen Amerika. Es ist schlimm genug, dass Bürger sahen, dass du zur gleichen Zeit wie er vor dem Palast verhaftet wurdest. Er hat ein Verbrechen gegen den Staat verübt.«
»Ich habe dir erklärt, dass er es nicht war«, sagte ich. »Du kannst ihn nicht dafür bestrafen.«
»An einem Kontrollpunkt der Regierung wurden zwei Soldaten getötet. Jemand muss dafür zur Verantwortung gezogen werden«, sagte der König mit tonloser Stimme.
»Ich könnte erklären, was passiert ist, dass ich aus Notwehr gehandelt habe.«
»Diese Gesetze existieren aus einem Grund – jeder, der einen Bürger des Neuen Amerika bedroht, bedroht uns alle.« Er sah mich an. »Du kannst ihn nicht in Schutz nehmen, Genevieve. Du wirst mit niemandem darüber sprechen.«
»Die Bürger müssen es nicht erfahren«, versuchte ich. »Du könntest ihn freilassen. Was kümmert es dich, wenn er außerhalb der Stadt lebt? Alle werden ihn für tot halten.«
Der König ging im Zimmer auf und ab. Ich bemerkte sein kurzes Zögern, die Art, wie er die Stirn runzelte, wie seine Finger sich auf die Schläfen pressten. Ich trug noch immer die Uniform, dasselbe Hemd, das Caleb aufgeknöpft hatte, die Weste, die er mir von den Schultern gestreift hatte. Ich fühlte noch immer seine Hände auf meiner Haut. Nichts hatte in diesem Moment Bedeutung gehabt – der Rest der Welt war so weit weg gewesen, die Warnungen der Lehrerinnen vollkommen bedeutungslos.
Doch nun konnte ich den Rest meines Lebens vor mir sehen, eine endlose Abfolge von Tagen im Palast, von einsamen Nächten in meinem Bett. Das Einzige, was mich in Califia hatte durchhalten lassen, war die Hoffnung gewesen, Caleb zu finden, zu irgendeinem Zeitpunkt, an irgendeinem Ort in der Zukunft wieder mit ihm zusammen zu sein. »Du darfst ihn nicht töten«, sagte ich, meine Hände waren feucht und kalt.
Der König ging auf die Tür zu. »Ich werde nicht mehr darüber reden«, sagte er. Er streckte die Hand nach dem Zahlenfeld neben der Tür aus.
Ich stellte mich vor ihn und legte die Hände auf den Türrahmen. »Tu das nicht.« Ich stellte mir Caleb in irgendeinem entsetzlichen Raum vor, wo ein Soldat mit einer Metallstange auf ihn einprügelte. Sie würden erst aufhören, wenn sein Gesicht – das Gesicht, das ich so sehr liebte – verquollen und blutig war. Wenn sein Körper grauenvoll reglos dalag. »Du hast behauptet, wir wären eine Familie. Das hast du gesagt. Wenn ich dir nur das Geringste bedeute, wirst du das nicht tun.«
Der König löste meine Finger vom Türrahmen und hielt sie fest. »Er wird morgen vor Gericht gestellt. Mit der Zeugenaussage des Lieutenants ist alles in drei Tagen über die Bühne. Ich werde dich wissen lassen, wenn es so weit ist.« Er beugte sich herunter, um mir in die Augen zu sehen. Seine Stimme klang sanft, seine Hände drückten meine, als wäre dieses kleine jämmerliche Angebot irgendeine Art Trost.
Die Tür öffnete sich. Er ging auf den stillen Gang und sagte etwas zu dem Soldaten vor der Tür. Die Worte schienen weit entfernt, irgendwo jenseits meiner Vorstellungskraft. Ich war in meinem eigenen Kopf gefangen, die Erinnerungen an den Morgen kehrten zu mir zurück. An die Dunkelheit des Flugzeugs, an Calebs Rücken, als wir durch die Stadt gelaufen waren. An den Wind, der Staub und Sand aufwirbelte und alles unter einer dünnen Schmutzschicht
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