Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt
begrub.
Es ist vorbei, dachte ich, der Duft seiner Haut haftete noch immer an meinen Kleidern. In drei Tagen würde Caleb tot sein.
NEUNUNDZWANZIG
Die Stille der Suite war unerträglich. Spät in dieser Nacht setzte ich mich auf den Bettrand, die Minuten schlichen dahin. Das Mondlicht warf seltsame Schatten auf den Boden und die bedrohlichen schwarzen Schatten, die um mich herumschwebten, waren meine einzige Gesellschaft. Ich konnte mir nichts mehr vormachen. Vor meiner Tür stand ein Soldat. Caleb saß irgendwo außerhalb des Stadtzentrums in einer Zelle, beide warteten wir, jede Stunde brachte uns dem Ende näher.
Auf dem Gang hallten Schritte. Als es an die Tür klopfte, stellten sich die feinen Härchen auf meinen Armen auf. Der König kam herein, schaltete das Licht an, die Helligkeit schmerzte in meinen Augen. »Mir wurde ausgerichtet, dass du reden möchtest, Genevieve.« Er setzte sich in den Sessel in der Ecke, faltete die Hände und stützte das Kinn auf die Handknöchel, während er mich beobachtete. »Hast du über das nachgedacht, was ich dir gesagt habe? Es ist eine Frage der Sicherheit – meiner und deiner.«
»Ja, das habe ich«, antwortete ich. Draußen waren vereinzelte Sterne am Himmel zu sehen. Die Sonne war schon vor Stunden hinter den Bergen versunken. Ich riss die dünne Haut um meine Fingernägel ab und fragte mich, ob ich es tatsächlich aussprechen würde. Ob ich den Mut hätte, es wahr zu machen. »Ich kann nicht zulassen, dass du Caleb für etwas bestrafst, das er nicht getan hat. Ich war es. Ich habe es dir gesagt – ich war diejenige, die diese Soldaten erschossen hat.«
Der König schüttelte den Kopf. »Ich fange nicht wieder mit dieser Diskussion an. Ich werde nicht …«
»Du hast gesagt, dass ich mit jemandem wie Charles zusammen sein sollte, dass an mich als Prinzessin bestimmte Erwartungen gestellt werden. Doch ich kann keinen weiteren Tag hier verbringen, wenn ich weiß, dass Caleb tot ist. Dass er für etwas bestraft wurde, das ich getan habe.« Mir versagte die Stimme, als ich es aussprach. Die Soldaten waren nun überall, einige patrouillierten durch die Gänge, andere waren neben meiner Tür postiert. Ich kam nicht heraus. Ich holte tief Luft, dachte an das, was nach der Zeugenaussage des Lieutenants mit Caleb passieren würde, ob sie ihn foltern, wie man ihn umbringen würde. »Ich werde Charles heiraten, wenn das dein Wunsch ist – wenn es das ist, was du für mich für angemessen hältst. Aber du musst Caleb dafür freilassen.«
Der König starrte mich an. »Es ist nicht bloß mein Wille – es ist, was die Stadt will. Es ist das einzig Sinnvolle. Du wärst glücklich mit ihm. Da bin ich mir sicher.«
»Dann stimmst du zu?«
Der König stieß einen langen rasselnden Atemzug aus. »Ich weiß, dass du es noch nicht sehen kannst, aber es wird das Beste für alle sein. Charles ist ein guter Mann, er war so loyal und …«
»Sag mir, dass du ihm nichts tun wirst.« Meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich wollte nichts mehr über Charles hören. Als würde ihn zu heiraten plötzlich eine reißende Strömung in mir auslösen, die alles, was ich wusste, mit sich fortschwemmen würde. Als wäre Liebe eine rationale Entscheidung.
Der König erhob sich und kam auf mich zu. Er legte mir die Hand auf die Schulter. »Ich werde dafür sorgen, dass die Soldaten ihn außerhalb der Mauern freilassen. Doch ab jetzt wird kein Wort mehr über diesen Jungen fallen. Du wirst dir eine Zukunft mit Charles aufbauen.«
Ich nickte, mir war bewusst, dass sich am nächsten Tag alles viel schwerer anfühlen würde. Doch in diesem Moment, in meiner Suite, war es zu ertragen. Caleb würde freigelassen werden. Darin lag eine Möglichkeit – sogar Hoffnung. Solange Caleb am Leben war, bestand immer Hoffnung. »Ich möchte mich verabschieden«, sagte ich. »Ihn nur ein letztes Mal sehen. Bringst du mich zu ihm?«
Der König starrte aus dem Fenster über die Mauern der Stadt hinweg. Ich schloss die Augen, lauschte dem Luftstrom, der aus der Belüftungsanlage kam, und wartete auf seine Antwort. Ich konnte Calebs Gesicht sehen. Letzte Nacht hatten wir wach gelegen, sein Kopf ruhte auf meiner Brust, direkt über meinem Herzen. Im Flugzeug war es still. Gleich hab ich’s, hatte er mit halb geschlossenen Augen gesagt. Noch ein Mal. Ich schob meine Hand unter die Decke, drückte meine Finger auf seinen Rücken und fuhr über seine Haut. Ich schrieb einen Buchstaben nach dem anderen, langsamer als
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