Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt
Innenstadt, wo Caleb in eine Straße einbog, die von dünnen Bäumen gesäumt war. Ich folgte ihm, die asphaltierte Straße fühlte sich hart unter meinen Füßen an.
Als wir dem Palast näher kamen, waren immer weniger Menschen unterwegs. Es wurde schwieriger, unerkannt zu bleiben. Eine Frau mit zwei kleinen Kindern ging vorüber. Das kleine Mädchen deutete auf mein Gesicht. »Da ist die Prinzessin, Mom«, sagte sie und starrte mich über die Schulter hinweg an, als ich an ihnen vorbeiging.
Ich lief immer weiter, der Wind wehte mir die Haare aus dem Gesicht. Ich war froh, als ich das genervte Psssst der Mutter hörte. »Es reicht, Lizzie«, schalt sie. »Hör auf, dummes Zeug zu erzählen.«
Zehn Minuten vergingen, dann zwanzig. Mittlerweile nahm der König an der Tafel Platz und starrte auf den leeren Stuhl neben sich, während seine Gabel nervös gegen den Tellerrand klirrte. Vielleicht suchte er in meinem Zimmer nach mir. Beatrice würde ihm erzählen, dass ich da gewesen war, als sie in der Nacht zuvor nach mir gesehen hatte, und das wäre nicht gelogen – ich war ja da gewesen. Ich war im Bett geblieben, bis sie den Gang hinuntergegangen und in ihrem eigenen Zimmer verschwunden war. Ich konnte mir eine Geschichte ausdenken. Dass ich mitten in der Nacht etwas zu trinken gebraucht und mich eingesperrt gefühlt hätte in dieser Suite. Vielleicht war das Türschloss defekt, sodass ich hinauskonnte. Doch was immer passierte, welche Geschichte ich auch wählte, eines war klar: Von nun an war es so gut wie unmöglich, den Palast zu verlassen.
Wir kamen näher. Caleb lief selbstbewusst, ohne Eile, die Hände in den Hosentaschen. Von Zeit zu Zeit blickte er über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass ich noch hinter ihm war. Wir gingen an einem Baseballplatz vorbei, der mir von meinem Heimweg vom Hangar bekannt vorkam. Es kann nicht mehr weit sein, sagte ich mir und beschleunigte meine Schritte.
Wir gingen über einen ehemaligen Parkplatz und dann eine schmale Straße hinunter. Die Einschienenbahn, in der die gut gekleideten Bürger bequem in den geräumigen Wagen saßen, sauste über unsere Köpfe hinweg. Der Wind war erbarmungslos, die Sonne verbarg sich hinter einer flachen grauen Wolkendecke. Als wir am ehemaligen Flamingo Hotel vorbeihuschten, öffnete sich die Kreuzung vor uns und man sah einen schmalen Streifen der Hauptstraße. Noch ein Block, dachte ich und beobachtete, wie Caleb sich der Ecke näherte, wo die schmale Straße gegenüber der Springbrunnenanlage des Palastes endete. Er würde rechts abbiegen und ich würde über die Überführung auf die andere Straßenseite gehen und mich unter die Palastarbeiter mischen.
Als er noch ein paar Schritte von der Ecke entfernt war, kniete er sich hin und tat, als würde er seinen Schuh zubinden. Er sah mich an, sein Mund verzog sich zu einem schwachen Lächeln, seine grünen Augen leuchteten. Wir hatten es geschafft. Ich wusste nicht, wann ich ihn wiedersehen würde, oder wie, aber uns würde etwas einfallen. Ich berührte den Rand meiner Mütze, es war ein kaum wahrnehmbarer Gruß.
Dann stand er auf. Er ging die letzten paar Schritte, bog rechts in die Hauptstraße ein, um im Bogen zurück zu den Außenbezirken zu gehen. Ich stieg mit gesenktem Kopf die Stufen der Überführung hinauf, um nicht erkannt zu werden. Ich brauchte eine Sekunde, um die lauten Stimmen der Soldaten wahrzunehmen, um die Menge zur Kenntnis zu nehmen, die sich vor dem Eingang des Palastes versammelt hatte, sowohl Arbeiter als Besucher versuchten hineinzukommen. Die Soldaten hatten das Gebäude abgeriegelt und blockierten die Straße in nördlicher und südlicher Richtung. Wir saßen in der Falle.
Ich blieb wie angewurzelt auf der Überführung stehen und beobachtete Calebs erschrockenes Gesicht, als er auf den Palast zuging. Er stellte sich hinter einige Arbeiter, dann drehte er um und versuchte, den gleichen Weg zurückzugehen, den wir gekommen waren, die schmale Straße hinunter. Es war zu spät. Ein Soldat hinten am Kontrollpunkt trat bereits vor, er ließ den Fremden in den zerknitterten Hosen und dem teilweise heraushängenden Hemd nicht aus den Augen – schließlich war er als Einziger auf den Palast zugegangen und hatte sich dann abgewendet.
Ich überlegte nicht. Ich rannte einfach los. Ich drängte mich durch die Überführung voller Menschen die Treppe hinunter und rannte über die Straße. Caleb lief eilig mit gesenktem Kopf in die entgegengesetzte Richtung und
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