Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt
sich leicht, um seinen Respekt zu bekunden. »Die Menschen werden sich freuen, dies in der morgigen Zeitung zu lesen.«
SECHSUNDDREISSIG
Die Goldene Generation wurde auf einem Gelände nordöstlich der Hauptstraße gehalten, es war ein eingezäunter Teil der Stadt, der früher Country Club geheißen hatte. Man hatte die weitläufigen Rasenflächen in Gärten umgewandelt, die großen Teiche dienten als Wasserreservoir. In den massiven Steingebäuden waren nun die Zimmer der Kinder untergebracht, ein Speisesaal und die Schule. Wir fuhren die lange, geschwungene Einfahrt hinauf. Die Grundstücksgrenze wurde von Soldaten mit erhobenem Gewehr bewacht.
»Prinzessin Genevieve!«, rief eine Stimme hinter mir, als ich auf die Glastüren zuging. »Prinzessin, hierher bitte!« Reginalds Fotografin stieg mit der Kamera in der Hand aus dem Auto hinter uns. Sie knipste ununterbrochen, während ich die Stufen hinaufstieg, der König folgte nur wenige Schritte hinter mir.
Ich schaffte es nicht, zu lächeln. Stattdessen starrte ich in die Linse und dachte an Pip und Ruby und Arden. Dieser Besuch war mein Vorschlag gewesen. Ich wollte sehen, wo die Kinder untergebracht waren, sie kennenlernen und etwas über ihre Lebensbedingungen erfahren. Am nächsten Tag würde ein großer Artikel über die ehemalige Schülerin erscheinen, die nun Prinzessin war – das Mädchen, das die Freiwilligen besser verstand als jeder andere. Ich hatte vorgehabt, Reginald noch etwas zu diktieren, eine weitere Nachricht an die Dissidenten zu geben. Doch nun, da es so weit war und das Steingebäude direkt vor mir stand, war es schon schwierig genug, einen Schritt vor den anderen zu setzen.
»Ich denke, es wird dir gefallen«, sagte der König zu mir, als wir die Türen erreichten. Reginald folgte mit drei bewaffneten Soldaten. »Die Opfer, die diese Mädchen gebracht haben, waren nicht vergeblich. Die Kinder werden ordentlich aufgezogen.«
Ich versuchte zu lächeln, doch ein mulmiges, beunruhigendes Gefühl versetzte mein Inneres in Aufruhr. Es war drei Tage her, seit meine Grußbotschaft in der Zeitung abgedruckt worden war. Die Leserbriefe hatten meine Worte gelobt und ihren Enthusiasmus über meine bevorstehende Verbindung mit Charles zum Ausdruck gebracht. Mit jedem Brief, der dem Palast zugestellt wurde, zeigte sich der König etwas versöhnlicher. Man hörte ihn des Öfteren auf den Gängen lachen. Seine Worte wurden freundlicher und begeisterter, je mehr er sich in seiner Lüge einrichtete. Caleb befand sich noch immer in Haft. Ich würde Charles heiraten. In seiner Welt stand alles zum Besten.
»Wir haben Euch erwartet, Prinzessin«, begrüßte uns eine Frau im weißen Etuikleid. Sie war nur ein paar Jahre jünger als die Lehrerinnen in der Schule, ihre dünne Haut erinnerte an Krepppapier. An ihrem Kragen steckte ein winziges Wappen des Neuen Amerika. »Ich bin Margaret, die Direktorin des Zentrums.«
»Vielen Dank, dass wir herkommen durften«, sagte ich. »Ich habe mein ganzes Leben in einer der Schulen verbracht. Ich musste hierherkommen, um das alles mit eigenen Augen zu sehen.« Ich trat in die Marmorhalle, deren Wände vom Lärm kleiner Kinder widerhallten. In der Eingangshalle stand auf einem gewaltigen runden Tisch ein fast ein Meter hoher Blumenstrauß, dessen Blüten sich in jede Richtung streckten und die Luft mit Lilienduft erfüllten.
Während sie mich zu einer Tür am Ende der Halle führte, presste sie die Handflächen aneinander. »Wir haben in den letzten Jahren hart dafür gearbeitet, dass diese Kinder gut betreut und von den besten Ärzten versorgt werden. Wir kümmern uns darum, dass sie ordentlich Bewegung haben und sich ausgewogen ernähren.«
Der König und Reginald blieben hinter mir stehen, als ich einen Blick in die großzügige Halle warf. Reginald holte sein Notizbuch aus der Anzugtasche und schrieb etwas auf. Kleine Kinder drängten sich auf dem Boden aneinander, schoben Plastikautos vor sich her und bauten aus Bauklötzchen kleine Türme. In der Ecke saß eine Frau in Margarets Alter und streichelte einem kleinen weinenden Mädchen, dessen Gesicht verquollen war und Tränenspuren aufwies, über den Rücken.
»Das hier ist unser größtes Spielzimmer«, sagte Margaret. »Es diente früher als Empfangsraum. Wir halten die Kinder tagsüber hier, weil wir hoffen, dass Bürger vorbeikommen und sich alles anschauen. Mit etwas Glück werden viele dieser Kinder in den nächsten Monaten adoptiert werden.« Ein Mädchen
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