Eve & Caleb - 02 - In der gelobten Stadt
ununterbrochen weiter und fing das Morgenlicht ein, das durch die Jalousien hereinströmte. Das Gesicht des kleinen Mädchens war ruhig. Sie schlug die blauen Augen auf und spitzte leicht die Lippen. Ich spürte weder mütterliche Gefühle noch warme Überschwänglichkeit in meiner Brust. Ich konnte nur an die Zukunft und das, was in der folgenden Woche passieren würde, denken. Es war nur eine Frage der Zeit, sagte ich mir immer wieder. Das Ende rückte näher.
Margaret nahm mir das Baby aus den Armen und legte es in sein Bettchen zurück. »Ich würde Euch gern noch etwas zeigen«, sagte sie und ging auf die Tür zu.
Wir folgten ihr die Treppe hinauf, der König legte mir die Hand auf die Schulter. »Diese Kinder werden in der Stadt ein richtiges Leben haben. Selbst diejenigen, die nicht adoptiert werden, erwartet ein so viel besseres Leben als irgendein Kind außerhalb der Mauer. Sie werden hier aufgezogen und erhalten eine solide Ausbildung«, sagte er sanft. »Man kümmert sich um sie. Das Opfer ihrer Mütter wird in Ehren gehalten.«
»Das sehe ich jetzt«, log ich, die Worte blieben mir im Halse stecken. »Es ist alles so wohldurchdacht.« Margaret ging in den ersten Stock. Reginald, seine Fotografin und zwei Soldaten folgten ihr. Einen Moment lang standen der König und ich allein im Durchgang.
Er drehte sich zu mir und legte mir die Hand auf die Schulter. »Ich weiß, es war nicht einfach für dich«, sagte er und beugte sich herunter, um mir in die Augen zu schauen. »Aber ich weiß es zu schätzen, dass du dir Mühe gibst. Ich glaube, du wirst das Leben hier mit Charles wirklich genießen. Du brauchst einfach Zeit, um dich an alles zu gewöhnen.«
»Es wird allmählich einfacher«, sagte ich, ohne ihm in die Augen zu sehen. Zum ersten Mal sagte ich etwas, das einen Funken Wahrheit enthielt. Seit ich die Nachricht in der Zeitung entdeckt hatte, fühlte sich alles leichter an. Ich konnte einen Fluchtweg aus dieser Welt erkennen und ich bewegte mich darauf zu, stetig, Tag für Tag. Ich musste noch eine Nachricht in der Zeitung unterbringen – einen Bericht über meinen Besuch in dem Zentrum –, sie würde den Setzling eines Plans enthalten. Wenn Harper und Curtis bei der Befreiung Calebs helfen konnten, würde ich ihn am Morgen der Hochzeit treffen. Während sich die ganze Stadt in Aufregung befand, hatten wir die besten Chancen zu fliehen.
Beatrice hatte versprochen, mir zu helfen. Sie würde die Suite der Braut für längere Zeit verlassen und die Tür zum östlichen Treppenhaus aufschließen, damit ich dort hinauskam. Ich hatte Clara tagelang beobachtet und darauf gewartet, dass sie meine Geheimnisse gegenüber Charles oder dem König ausplaudern würde. Doch nachdem ich keinerlei Anzeichen für Verrat bemerken konnte, hatte ich sie um ihre Hilfe gebeten. Sie würde den Soldaten vor meiner Tür ablenken, damit ich unbemerkt flüchten konnte. Ich versuchte, ihr nicht übelzunehmen, in welcher Hochstimmung sie sich befand, weil ich die Stadt für immer verlassen würde.
Der König ließ seine Hand auf meiner Schulter liegen, als wir den Gang hinunterliefen. »Dies hier sind unsere Adoptionsbüros«, erklärte Margaret. Sie klopfte an eine der Türen, woraufhin eine Frau mittleren Alters in einem dunkelblauen Kostüm öffnete. Sie wechselten einige Worte, dann trat die Frau zurück, um uns hereinzulassen. Vor dem Tisch saß ein Paar. Sie waren ein wenig älter als Beatrice, in ihren Haaren zeigten sich die ersten Spuren von Grau. Als sie den König und mich erkannten, erhoben sie sich, der Mann machte eine Verbeugung, die Frau einen Knicks.
»Das sind Mr und Mrs Sherman«, sagte Margaret und deutete auf das Paar. »Sie gründen eine Familie.«
»Herzlichen Glückwunsch«, sagte ich und sah sie an. Die Augen der Frau waren gerötet und tränenfeucht. Der Mann umklammerte mit der Hand eine Mütze, deren dünnen Baumwollschirm er zusammenrollte.
»Sie adoptieren zwei Kinder«, fuhr Margaret fort. »Wir bereiten es seit Monaten vor und heute ist der Tag, an dem sie sie mit nach Hause nehmen werden.«
»Zwei kleine Mädchen – Zwillinge.« Mrs Sherman lächelte, doch auf ihrem Gesicht lag ein schmerzlicher Ausdruck, ihre Stirn war voller Sorgenfalten. »Für uns wird wirklich ein Traum wahr.« Ihr Ehemann legte ihr einen Arm um die Schulter und drückte sie.
»Als ich das Programm ins Leben rief, habe ich mir Paare wie Sie vorgestellt«, sagte der König. »Menschen, die nach der Epidemie eine
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