Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden

Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden

Titel: Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Carey
Vom Netzwerk:
Über mir lief die Belüftungsanlage, wodurch sich das Zimmer noch kleiner und stickiger anfühlte. Mein Nacken war bereits schweißnass.
    Mein Vater lag im Bett; so hatte ich ihn nie zuvor gesehen. Sein marineblauer Pyjama hatte einen getrockneten gelben Fleck auf dem Revers. Seine Augen waren halb geschlossen und seine Haut hatte einen befremdlichen Grauton, den ich nur von Sterbenden kannte.
    Ich schloss die Augen und kehrte in die Stille des Zimmers meiner Mutter zurück. Als ich die Tür geöffnet hatte, hatte sie geschlafen. Ihr Kopf war zur Seite gerollt, die Blutergüsse hatten sich entlang ihres Haaransatzes ausgebreitet. Um ihre Nase herum war ein schwarzer Fleck getrockneten Blutes. Ich war zu ihr gegangen, weil ich mich in ihr Bett kuscheln wollte und sie ihre Knie unter meine schieben sollte, wie sie es immer tat, wenn sie mich im Arm hielt. Ich kletterte auf die Matratze, woraufhin sie erwachte und sofort bis ans Kopfende zurückwich. Du musst gehen, sagte sie, wobei sie sich die Decke vors Gesicht hielt. Sofort. Als sie schließlich die Tür zumachte, hörte ich, wie das Schloss klickend einrastete, gefolgt vom langsamen Kratzen des Stuhls, den sie zur Tür zog und unter die Klinke klemmte.
    »Ich unternehme alles, was in meiner Macht steht, um es ihm möglichst erträglich zu machen«, sagte der Arzt. Er neigte den Kopf und sah zu, wie ich mir die Augen trockentupfte. »Es hat letzte Nacht begonnen. Vermutlich ein Virus. Allerdings nicht die Seuche, das kann ich Euch versichern.«
    Ich musterte die Lippen meines Vaters. Die Haut in den Mundwinkeln war aufgesprungen. Anspannung legte sich auf sein Gesicht, als er gegen etwas Unsichtbares ankämpfte. Ich wusste, das hatte ich getan – er litt meinetwegen. Nun, da ich mich mittendrin befand, fühlte ich mich, als schrumpfte ich, weiter und weiter, bis nichts mehr von mir übrig war. Ich war in seine Suite gegangen und hatte sein Medikament vergiftet, während er draußen vor der Tür gewartet und geglaubt hatte, ich müsse mich übergeben. Hier, in diesem Zustand, war er einfach nur der Mann, der meine Mutter geliebt hatte. Der mich nach all der Zeit gefunden hatte, um mir das zu sagen.
    Ich trat an seine Seite. Mein Blick fiel auf seine Hände, deren dicke blaue Venen sich unter seiner Haut wölbten. In einer steckte ein kleines Röhrchen; unter dem Pflaster, das es an Ort und Stelle hielt, war das Blut noch nicht getrocknet. »Ich bin es.« Ich beugte mich über ihn, damit er mich hören konnte. »Ich wollte nachsehen, ob alles in Ordnung ist.«
    Er wandte den Kopf und öffnete die Augen, während er die Lippen zum Hauch eines Lächelns verzog. »Nur ein Magenvirus, das ist alles.« Er wischte sich die Spucke aus den Mundwinkeln. »Heute Abend?«, fügte er hinzu und sah den Arzt an.
    »Ja, heute Abend werden wir uns einen deutlich besseren Eindruck von der Situation verschafft haben. Wir werden sehen, ob eine Besserung eingetreten ist. Im Moment müssen wir vor allem dafür sorgen, dass er nicht dehydriert.«
    Mein Vater hielt sich die Seite, sein Körper war steif und verkrampft. Der Arzt schob mich zur Seite und beugte sich über ihn, um auf seinen Atem zu horchen. »Ihr könnt später wiederkommen«, sagte er und deutete zur Tür.
    Ich stand einfach nur da und beobachtete, wie sich die Füße meines Vaters anspannten, die Zehen zur Decke zeigten und er ein Knie anwinkelte, um sich gegen den Schmerz zu stemmen. Er stieß einen leisen, rasselnden Seufzer aus, dann entspannte er sich ein wenig und suchte meinen Blick. »Mach dir keine Sorgen, Genevieve.« Sein Lächeln sah aus, als versuche er, nicht zu weinen. »Das geht vorüber.«
    Ich starrte den Fußboden an, das wirbelnde Muster im Teppich, den schmalen Lichtstrahl, der sich mit den Vorhängen bewegte. Ich dachte an meine Mutter. Wäre sie nun angewidert von mir, ihrer Tochter, die einem Menschen, den sie geliebt hatte, so etwas angetan hatte? Ganz egal, wie viele Menschen er auf dem Gewissen hatte – hatte ich nun nicht genau dasselbe getan? War ich nicht schlimmer?
    Ich wandte mich zum Gehen, hielt jedoch auf der Türschwelle inne, als er hustete. Mit jedem rasselnden, erstickten Keuchen zuckte ich zusammen. Es war zu spät. Es war vollbracht. Nun hoffte ich lediglich, dass er nicht mehr lange in diesem Zustand zwischen Leben und Tod ausharren musste. Lass es schnell vorübergehen, bat ich eine namenlose, gesichtslose Macht, wie ich es in all den Gebeten, die während der Gedenkgottesdienste

Weitere Kostenlose Bücher