Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden
schlang die Arme um meine Schultern und zog mich fest an seine Brust. Ich atmete ein. Mein Körper entspannte sich langsam und lehnte sich an ihn. Er legte seine Hand so sanft auf meinen Hinterkopf, dass mir fast die Tränen kamen. »Ich war nie glücklicher.«
SECHS
Die Party war immer noch in vollem Gange, auch als die Musiker bereits gegangen und die letzten Gedecke von den Tischen im Salon abgeräumt waren. Mein Vater war lebhafter, als ich ihn je gesehen hatte. Er gestikulierte mit seinem Kristallglas, während er auf Harold Pollack, einen Ingenieur der Stadt, einredete. »Ein Grund zu feiern«, hörte ich ihn sagen, als Charles und ich auf die Tür zugingen.
»Zu einer Zeit, in der vieles nicht mehr sicher scheint«, stimmte Harold zu.
Darauf wedelte der König abwehrend mit der Hand, als wolle er eine Fliege verscheuchen. »Glauben Sie nicht alles, was Sie hören«, sagte er. »Ein paar Aufstände in den Arbeitslagern sind wohl kaum eine ernsthafte Bedrohung für die Stadt.«
Ich blieb einen Moment in ihrer Nähe stehen und beobachtete sie, während Charles mit dem Leiter der Finanzabteilung sprach. Mein Vater hielt Harolds Gesellschaft noch ein wenig länger aus, bevor er sich schließlich entschuldigte. Den ganzen Abend schon war darüber geredet worden. Zwischen den Glückwünschen hatten die Gäste Gerüchte über die Arbeitslager angesprochen und meinen Vater nach den Rebellen draußen vor der Stadt gefragt. Bei jeder Frage hatte er ein wenig lauter gelacht und seine Zuversicht immer deutlicher zur Schau gestellt. Er bezeichnete es als Aufstände, nicht als Belagerung und ließ es so klingen, als wäre dies nur in einem oder zwei Lagern vorgekommen.
»Bereit?«, fragte Charles und bot mir seinen Arm. Ich hakte mich bei ihm unter, als wir in den Flur hinaustraten. Keiner von uns sagte ein Wort. Stattdessen lauschte ich dem Klang unserer Schritte und dem leisen Widerhall der Schritte der Soldaten hinter uns.
Wir gelangten zur Suite und die Tür fiel hinter uns ins Schloss. Ich sah zu, wie Charles den Raum durchquerte, wobei er sein Jackett über eine Armlehne hängte und die Krawatte lockerte. »Du hättest das vorhin nicht tun müssen«, sagte ich. Er wandte mir den Rücken zu, während er seine Schuhe auszog.
»Natürlich musste ich das«, antwortete er und strich sich die Haare aus dem Gesicht. »Ich hatte nicht vor, deinem Vater die Wahrheit zu sagen. Du weißt, in was für eine Position dich das gebracht hätte.« Er drehte sich um und zum ersten Mal bemerkte ich, dass seine Wangen fleckig und rot waren, als sei er gerade aus der Kälte gekommen. »Niemand darf davon erfahren, Genevieve – niemand.«
»Das ist nicht dein Problem«, antwortete ich. »Ich bin dafür verantwortlich.«
Nach dem, was auf der Baustelle geschehen war, hatte ich meinen Arzttermin wahrgenommen und Charles danach am Empfang getroffen. Die Dankbarkeit, die ich ihm gegenüber empfand, hatte nachgelassen und war einer Art leisen Verärgerung gewichen. Er hatte mich gerettet. Zumindest glaubte er das. Ich konnte fühlen, wie die Verpflichtung, die sich daraus ergab, zwischen uns stand, wann immer er nach meiner Hand griff und seine Finger meine Handfläche umklammerten. Wir stecken da gemeinsam drin, schien er zu sagen. Ich werde dich jetzt nicht im Stich lassen.
Er schlug die Hände vors Gesicht und schüttelte den Kopf. »Ist das deine Art, dich zu bedanken? So habe ich mir das nicht vorgestellt, als wir geheiratet haben, weißt du? Ich wollte mich nicht wie eine grauenhafte Notlösung fühlen müssen, die man dir aufgezwungen hat. Ich gebe mir wirklich alle Mühe, schon die ganze Zeit. Du hättest mich zumindest vorwarnen können, bevor ihr mich auf der Baustelle überfallen habt.«
»Ich weiß es auch erst seit heute Morgen«, antwortete ich. Ich machte ein paar Schritte von der Tür weg, während ich gleichzeitig versuchte, nicht laut zu werden. Ich war dankbar. Was er getan hatte, war liebenswürdig und anständig. Er hatte mir zumindest einen weiteren Tag innerhalb der Stadtmauern verschafft und damit die Möglichkeit, mit Moss zu sprechen, bevor ich verschwand. Aber ich hatte ihn nie um Hilfe gebeten.
Charles rieb sich die Stirn. »Du verbringst Stunden im Garten, indem du immer wieder im Kreis läufst und dreimal demselben Pfad folgst, als wäre es jedes Mal ein anderer. Ich sehe, wie du beim Abendessen vor dich hin stierst. Es ist, als wärst du in einer unsichtbaren Welt, die niemand sonst betreten kann. Ich
Weitere Kostenlose Bücher