Eve - Das brennende Leben
scheinbar als eine weise Frau.«
Ortag fragte: »Also gibt es sie wirklich?«
»Offensichtlich.«
»Warum hat sie darum gebeten, dich zu sehen?«
»Ich habe keine Ahnung.« Das war jetzt aber eine faustdicke Lüge. Drem wurde von einer Erkenntnis überrascht. Obwohl das, was er suchte, ziemlich harmlos erschien – es war ja nur der Name eines anderen Menschen –, waren die Wege, auf denen er versuchte, diese Information zu bekommen, bestenfalls unorthodox und mittlerweile so peinlich, dass er es nicht mehr zugeben konnte. Diese Leute hatten ihr Leben der Rettungsarbeit verschrieben. Zu seiner Schande konnte Drem, der sein Leben auch bereits zahllose Male in zusammenbrechenden und brennenden Kolonien aufs Spiel gesetzt hatte, von sich immer noch nicht dasselbe behaupten. Er hoffte aus tiefstem Herzen, dass es ihm half loszulassen, wenn er nur den Namen dieses Mannes hörte.
»Ich freue mich so darauf, sie kennenzulernen«, sagte Verena.
Das Schiff schwebte zum Sprungtor hinauf und wirkte wie ein Kieselstein neben einem Berg.
Mit Hilfe der Sprungtore konnten Schiffe immense Entfernungen innerhalb eines Augenblicks überwinden, indem sie von einem Sonnensystem ins andere verschoben wurden. Die Tore waren nicht magisch, aber dennoch zu kompliziert für den durchschnittlichen Reisenden, der sie irgendwo in der Grauzone zwischen Wissenschaft und Mystik ansiedelte.
Das Schiff flog nah heran, das Schiff blitzte hell auf – und verschwand.
Die Mannschaft schloss die Augen und versuchte, nicht zu denken. Es war möglich, sich während des Sprungs weiterhin
seiner Umgebung bewusst zu sein, aber es war nicht empfehlenswert; es sei denn, der Betrachter hatte die Absicht, unter grauen Haaren und Altersdemenz zu leiden.
Als sie ihre Augen wieder öffneten, waren sie von Rot umgeben.
Das System, in das sie gesprungen waren, erstreckte sich in voller Länge durch einen Nebel, der sich wand und krümmte wie eine Schlange. Eine alternde Sonne in der Ferne erleuchtete seinen wolkigen Körper. Die Augen von hundert glühenden Sternen durchbohrten ihn. Drem fühlte sich, als wäre er in den Kopf eines Blutjägers eingedrungen.
Alle an Bord nahmen sich Zeit, den Anblick zu genießen. Drems Koordinaten würden sie irgendwo tief in das System führen. Die Flugzeit würde etwa einen Tag betragen. Es gab also keinen Grund, sich übermäßig zu beeilen. Drem fand es erstaunlich, dass er seine Augen schließen konnte, nur um sie kurz darauf in einer neuen Welt zu öffnen. Andererseits, so überlegte er, hatte er das in seinem neuen Leben schon zweimal getan.
Sie hatten nicht einmal eine Abdockerlaubnis beantragen müssen. Anfragen der Schwestern wurden grundsätzlich schnellstens bearbeitet, ganz gleich, worum es dabei ging. Außerdem genoss Drems Team inzwischen einen gewissen Ruf, der es ihnen erlaubte, sich nach Belieben und ohne jegliche Rückfragen zu bewegen. Dieser Luxus wurde nur wenigen zuteil, wie den Reichen, den hohen Tieren und den Kapselpiloten selbst.
Sie hatten der KI des Schiffs den Flug überlassen und sich mit kleinen Aufgaben beschäftigt. Endlich einmal befanden sie sich auf einer Reise, bei der es nicht um Leben oder Tod ging. Es lag eine höchst erfreuliche Schlichtheit darin, einfach nur den Boden der Brücke zu säubern, den Status verschiedener KI-Subroutinen abzufragen oder nur schweigend vor den riesigen Aussichtsfenstern zu sitzen.
Zusammen mit den Koordinaten und der kurzen Notiz über Hona hatte Rhan einen langen Datenschlüssel übermittelt, dessen Nutzen noch unbekannt war. Drem vermutete, dass das Schiff irgendwann auf seiner Reise ein gesichertes Hangartor passieren musste. Die Nachricht schloss mit der schlichten Ermahnung: »Mach nicht schon wieder Dummheiten.«
Drem behielt diesen Gedanken den ganzen Tag lang im Hinterkopf, während er sich mit angenehm nebensächlichen Aufgaben die Zeit vertrieb. Das Schiff war auf allen Decks offen. Den größten Teil des Tages verbrachte er damit, durch die Flure des unteren Rumpfs zu laufen, die gigantischen Maschinen in Betrieb zu beobachten und ihrem göttlichen Summen zuzuhören, während sie ihre Arbeit verrichteten.
In der Nacht bekam er Besuch von Verena, die nicht viel sagte, sondern ihre Taten für sich sprechen ließ. Am nächsten Morgen erwachte er in einem leeren Bett. In der Ferne war ein erstaunliches Bauwerk zu sehen, das von knisternden Blitzen umgeben war.
Beschleunigungstore waren uralte Wunderwerke der Technik. Verschiedene
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