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Eve und der letzte Englaender

Eve und der letzte Englaender

Titel: Eve und der letzte Englaender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zaza Morgen
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gleichmäßig und ruhig war. Mit einem Ruck setzte sich das Glas in Bewegung, und ich hatte große Mühe ihm mit meinem Blick zu folgen.
    „ Was war das, George?“
    Ich war mir nicht sicher, ob ich überhaupt etwas gesehen hatte. Denn ich vertraute meinen Augen ehrlich gesagt im jetzigen Stadium meines Gesamtzustandes auch nicht mehr so ganz. „Eve“, sagte George langsam und bedächtig. „Eve ist deine Muse.“
     

     

    Eve
     

    Mein Leben hatte mich wieder. Jeden Morgen wachte ich mit demselben Traum auf, der sich langsam hinter meinen Liddeckeln begann zu spiegeln, sobald ich sie schloss. Wie jeden Tag fuhr ich mit der Bahn nach Frankfurt, starrte vor mich hin, manchmal so lange, dass ich schon einen blau-roten Trolley zu sehen glaubte, und verbrachte die Tage in der Bibliothek. Abends fiel ich mit dutzenden anderen Pendlern aus der Bahn und checkte, vor meinem Haus angekommen, den Briefkasten vergeblich nach meinen neuen Prüfungsterminen. Dank meines Aussetzers hatte sich das ganze nach hinten verschoben und ich würde erst Ende September meine letzte mündliche Prüfung haben. Sofern ich diesmal nicht wieder flüchten würde. Dazwischen vibrierte mein Handy ungefähr vierzig Mal am Tag – mein Ex hatte sich dazu entschlossen, mich mit seiner Existenz zu nerven und ich ignorierte ihn mit dem größten Vergnügen.
     

    Von Dom hatte ich seit jenem Nachmittag vor zwei Wochen in London, an dem er mich in den Flieger gesetzt hatte, nichts mehr gehört. Ich versuchte mir einzureden, dass er nun mal im Stress war, so kurz vor der Album-Veröffentlichung. Doch die kleinen Stiche in meinem Herzen konnte ich langsam nicht mehr ignorieren. Was war das zwischen uns gewesen? So langsam begann ich zu glauben, dass ich mir nur eingebildet hatte, dass da etwas Besonderes mit uns passiert war. Aber jedes Mal, wenn ich wieder soweit war, ihn und vor allem mich zu verfluchen, schob sich diese eine Berührung in mein Gedächtnis und meine Haut fing wieder an zu brennen.
     

    Mit finsterem Blick riss ich also auch heute die Post aus dem Briefkasten. Rechnungen, Werbung – aber kein Schreiben vom Prüfungsamt. Sie hatten sich dort offensichtlich dazu entschlossen, mich für meine Aktion besonders lange leiden zu lassen. Ich fluchte leise vor mich hin und prompt glitt mir die Post aus meiner ohnehin schon mit einer Tüte voller Büchern völlig überladenen Hand. „Aaah, Hass!“ entfuhr es mir und unsere Nachbarin machte spontan einen weiteren Strich auf ihrer „Eve muss dringend in die geschlossene Anstalt eingewiesen werden“-Liste, die sie heimlich führte. Ich bückte mich, um die verdreckten Umschläge einzusammeln, als mein Blick auf eine Postkarte fiel, die sich wohl an einem der Werbebriefe geklebt haben musste. Sie zeigte die britische Flagge und mein Puls beschleunigte sich locker auf das Doppelte. Ich ließ alles fallen, hob die Karte auf und drehte sie um. Nichts. Auf der Karte stand nichts! Nur meine Adresse, die eindeutig Dom mit seiner filigranen Schrift darauf geschrieben hatte. Er musste sich meine Adresse bei British Airways erschlichen haben. Diese Ratte! Ich wurde erst noch wütender und stieß undefinierbare Laute aus, die dann aber in ein hysterisches Lachen übergingen. Die Nachbarin schaute jetzt nicht mehr nur, sie schüttelte auch unablässig den Kopf. Es war mir egal. Ich sammelte schnellstmöglich meinen Kram zusammen, eilte zur Haustür und in mein Zimmer. Dort blickte ich wieder auf die Karte. Was sollte das bedeuten? Dom, dieser verrückte Engländer!
     

    Es dauerte drei Tage, bis ich wieder Post von ihm bekam – drei Tage, in denen ich die Union-Jack-Karte fast nicht aus der Hand gelegt hatte. Irgendetwas bedeutete sie. Ich hatte nur noch nicht herausgefunden, was es war. Die zweite Karte von Dom zeigte einen alten Spielautomaten, das Papier war schon etwas vergilbt. Auf der Rückseite stand nur ein Satz. „Spiel mit mir.“ Ich legte die beiden Karten nebeneinander, aber es ergab alles keinen Sinn. Nun gut, wenn er spielen wollte, gerne! Ich griff nach meinem Handy, tippte eine Nachricht und schickte sie an Dom.
    „ Me: Playing the Game“. Nichts kam zurück.
     

    Er ließ mich eine weitere Woche zappelt, bis wieder eine Karte eintraf. Genau an dem Tag, an dem mich das Prüfungsamt auch endlich erhörte. Natürlich hatte ich aber nur Augen für Doms geheime Botschaften. Die Karte zeigte eine Strandpromenade in schwarz-weiß, mit einem Riesenrad und hunderten Luftballons, die ein

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