Eve und der letzte Englaender
Unser Tourmanager hatte uns damals hergeschleppt und uns in eine dieser unsäglichen Stripbars gezwungen.
„ Damit du wenigstens was zum Gucken hast, Tommy. Wenn du schon nicht ran darfst!“, hatte er mich als Begründung wissen lassen.
„ Ich MÖCHTE überhaupt nicht ran!“, hatte ich ihn angeschnauzt, bin dann aber natürlich doch mit rein gegangen.
Nun ja, es war dann doch nicht soooo schlimm – wenn Dom nicht eine der Stripperin schamlos angeflirtet hätte und ihm daraufhin Prügel vom Barbesitzer angedroht worden wären. Vielleicht doch ganz gut, dass Dom nicht bei dieser Mission dabei war…
Wir passierten mit dem Taxi die unzähligen Sexshops, Bars und Ramschläden, die sich aneinanderreihten.
„ Haben Sie an jemanden bestimmtes gedacht?“ riss mich der Fahrer aus meinen Gedanken.
„ Ja. Klein, schmächtig, kurze dunkelbraune Haare“, erwiderte ich.
Der Typ glotzte mich leicht verwirrt an.
„ Aha“, kam es nur von ihm, und er bog rechts in eine kleine Seitenstraße ein. „ Spezialfall, was? Dann wird es aber etwas teurer.“
Ich nickte nur und schaute wieder aus dem Fenster, checkte die Passanten und hoffte, James irgendwo zu entdecken. Wir kamen abrupt zum Stehen. Der Fahrer drehte sich zu mir und zeigte auf einen Club, der im Halbdunkeln zu sehen war. „Homo Gay Special“ stand über dem Eingang. Ich schluckte.
„ Versuchen Sie hier Ihr Glück“, murmelte er. Ich gab ihm sein Geld und stieg aus.
Seufzend steckte ich meine Hände in meine Jackentaschen und bewegte mich auf den Eingang zu. Vor der Tür stand ein großer blonder Hengst, der mich ziemlich anzüglich musterte. Oh nein, jetzt quatschte er mich auch noch an.
„ Hey Sweetie, was führt dich her?“
Ich setzte in möglichst mürrisches Gesicht auf und ließ ihn nur wissen, dass ich meinen Freund suchte.
„ Oha“, zwinkerte der Typ mir zu. „ Dann hoffen wir mal, dass du deinen Süßen nicht hier drin findest – sonst ist er verloren.“
Mein Blick verfinsterte sich noch mehr und ich musste mich sehr beherrschen, ihm nicht in seine grinsende Fresse zu schlagen. Ich schaute mich um – es war anscheinend noch zu früh, hier war nicht viel los und ich wollte gerade den Rückzug antreten, als ich etwas auf einem der Barhocker liegen sah, das mir erschreckend bekannt vorkam. Das war eindeutig James' Schal – so was Hässliches würde wirklich nur er tragen. Für einen kurzen Moment schloss ich meine Augen und verfluchte innerlich, mit vierzehn diesen merkwürdig aussehenden Jogginghosen-Boy, der unbedingt in meiner Band spielen wollte, nicht mit einem Arschtritt ins Jenseits befördert zu haben.
Als ich aufblickte, stand vor mir eine gefühlt zwei Meter große Frau – oder, Moment, war das wirklich eine Frau? – in einem schrillen, ultrakurzen Kleid und ziemlich bunten Haaren. Ihr Arm lehnte lässig neben mir auf dem Tresen. Ich griff mir James' einziges Überbleibsel und hoffte inständigst, dass sie mich nicht ansprach. In meiner Jackentasche vibrierte es. Schnell zog ich mein Handy aus der Tasche und schaute aufs Display. Eine ziemlich lange Nummer mit ausländischer Vorwahl, kein Name. Merkwürdig. Die Hünin musterte mich immer noch, als ich dran ging.
„ Hallo?“, fragte ich zögerlich.
„ Tomas , wie schön, deine Stimme zu hören.“
Das passierte jetzt nicht wirklich, oder? Ich stand in einer Schwulenbar auf dem Kiez, von einer Riesentranse beäugt und mit George am Ohr. Woher zur Hölle hatte der denn eigentlich meine Nummer? Warum fragte ich mich das eigentlich wirklich – danke, liebe Freunde, danke! Jetzt hatte ich den Besserwisser also am Arsch! Ich schwieg demonstrativ und brummte nur verächtlich ins Telefon.
„ Tomas , weißt du – manchmal nimmt das Leben merkwürdige Wendungen.“
Nervlich war ich gerade nahe am Wahnsinn.
„ George, wenn du extra angerufen hast, um mir DAS zu sagen: DANKE AUCH. ES GIBT GERADE WICHTIGERES, MIT DEM ICH MEINE ZEIT VERSCHWENDEN MUSS ALS MIR DEINE BESCHISSENEN WEISSHEITEN ANZUHÖREN!“
Der letzte Teil meiner Ansage war wohl etwas lauter ausgefallen, denn jetzt starrten mich auch alle anderen Gäste unverwandt an. George lachte nur, sein blödes „Ich weiß ja, aber mach dir keine Sorgen, alles wird gut“-Lachen.
„ Tomas , du wirst ihn finden.“
Klick. Und weg war er. Ich starrte auf mein Handy und drückte die Rückruftaste. Besetzt. Fluchend krallte ich mich an James' Schal fest und versuchte, mich an meiner Stalkerin
Weitere Kostenlose Bücher