Eve und der letzte Englaender
durch den verschneiten Garten, setzte mich schließlich auf die kleine Bank unter dem kahlen Apfelbaum und starrte in den eisblauen Himmel. Die Sonne brachte den Schnee, der auf den Hecken und Zweigen lag, zum Glitzern. Wenn ich mich konzentrierte und genau hinsah, konnte ich darin sein Gesicht erkennen. Seine weich geschwungenen Lippen, über denen der Schweiß perlte. Und wenn ich lang genug in die Stille horchte, konnte ich wieder hören, was er flüsterte. Mein Atem beschleunigte sich unweigerlich.
„ Dom. Dom“, murmelte ich vor mich hin, als ob ich mich durch meine Beschwörungen wieder zu diesem Augenblick zurückbeamen könnte – doch würde ich es diesmal schaffen? Das Bild auf meiner Netzhaut verschwamm. Er war nicht hier, nicht bei mir. „Dom.“
Ich schloss meine brennenden Augen. Als würde würde ich mich wie in einem Traum selbst zusehen sah ich mich losrennen, auf einen hellen Punkt am Ende des Tunnels zu. Ich rannte und rannte, und kam meinem Ziel doch kein Stück näher. Plötzlich riss mich eine vertraute Stimme aus meinem Alptraum.
„ Was sitzt du denn hier in der Kälte herum, verdammt? Du holst dir noch den Tod!“, fauchte Rosa fürsorglich und leicht verärgert zugleich. Ich zuckte entschuldigend mit den Schultern und versuchte so etwas wie ein Lächeln zustande zu bringen.
„ Alles okay?“
Rosas Frage hallte in meinem Schädel nach.
Ja, eigentlich war es das. Mir ging es gut. Dom liebte mich. Was war dann mein verdammtes Problem?
Ich presste ein nicht ganz überzeugendes „ja“ hervor. Rosa zog verächtlich eine Augenbraue hoch und schaute mich an.
„ Es ist nur –“, stotterte ich.
Rosas Mundwinkel umspielte ein sanftes Lächeln.
„ Du misstraust deinem Glück, stimmt’s?“
Ich blickte schnell zu Boden, so als ob sie mich bei etwa ertappt hätte.
„ Ich will nicht wieder enttäuscht werden, weißt du? Wenn ich wieder so viel von mir gebe und noch mal alles verliere – ich sterbe daran, Rosa. Ich kann nicht. Ich kann einfach nicht.“
Jetzt schaute ich sie unverwandt an.
Das Lächeln aus Rosas Gesicht war verschwunden, eine ihrer roten Strähnen fiel ihr wie auf Befehl ins Gesicht und sie pustete sie unwirsch zur Seite.
„ Wenn ich ihm mein Herz schenke, woher weiß ich, dass er es nicht über kurz oder lang bricht? Klar, das kann man nie wissen – aber ich will es nicht riskieren.“
Rosa schien nachzudenken und ich konnte förmlich sehen, wie es in ihr arbeitete. Nach einer für ihre Verhältnisse ewig dauernden Minute brach es schließlich in unnachahmlicher Rosa-Art aus ihr heraus.
„ Das ist doch scheiße, Eve!“, rief sie so laut und deutlich, dass sie damit fast eine Lawine auf dem Hausdach gegenüber auslöste.
„ Du kannst doch nicht aufhören zu lieben, nur weil dein bescheuerter Ego-Ex es versaut hat. Mal abgesehen davon: Es ist doch eh schon zu spät, egal, was du dir einredest! Dein Herz ist doch schon längst weg, ab nach England oder wo Monsieur Rockstar sonst gerade Audienz hält. Und nenn' mir bitte auch nur ein Argument, dass gegen diesen Mann spricht. Hm, ich warte!“
Rosa hatte sich mal wieder so richtig schön in Rage gehasst.
„ Ich weiß es doch!“, erwiderte ich kleinlaut.
Ich versuchte verzweifelt, im Geiste etwas Schlechtes an Dom zu finden, das Rosas Theorie aushebeln würde. Ich scannte in Gedanken zuerst sein äußeres Erscheinungsbild ab: Seine verwuschelten, weichen Haare – gut, sie wurden so langsam etwas weniger, aber das war nun wirklich kein Argument. Die Hobbitohren – sweet. Diese Augen, die manchmal so langsam blinzelten, als hätte jemand versehentlich die Slow-Motion-Taste gedrückt – er sah mich mit ihnen auf eine so verfluchte sexy Weise an, dass mir schon beim Gedanken daran heiß wurde. Seine markante Nase. Die schönsten Lippen der Welt. Und diese Stimme, so sanft, so bedacht. Ich hörte ihn, wie er mich in den Schlaf flüsterte. Ich strich in Gedanken seinen muskulösen Hals hinab, über seine Brust und den unfassbar erotischen Bauch entlang.
Okay, ich musste mich jetzt dringend auf Doms innere Werte besinnen, sonst führte das hier höchstens zu einer massiven sexuellen Frustration. Ich rief mir sein ansteckendes Lachen in Erinnerung und wie wir uns über die gleichen kleinen Nichtigkeiten amüsieren konnten. Wie er sich um James kümmerte, wenn der mal wieder den Faden verloren hatte. Doms großes Herz, die Leichtigkeit, mit der er das Leben nahm und die Sorgen, die er mit mir
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