Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi
passen würde. Das wäre eine viel bessere Geschichte als die mit den Fahrrädern. Und viel bessere Bilder: Der bunte Bär im Baum.
„Ich habe mehr mit solchen Leuten gemeinsam als mit Valentin und Sternelokalen“, kommt Vesna zum Ausgangspunkt zurück. Nicht schon wieder. Das höre ich jetzt schon seit Jahren.
„Aber du liebst ihn“, stelle ich einfach fest.
„Ist ein großes Wort. Was zählt, ist Alltag. Und ob man sich verlassen kann.“
„Du kannst dich auf dich selbst verlassen. Und auf Valentin auch. Und auf mich sowieso. Und auf deine Zwillinge.“ Bevor ich ihr ewige Liebe schwöre, wechsle ich das Thema. „In zwei Wochen wirst du fünfzig, wir sollten ein großes Fest machen. Höchste Zeit, was zu planen.“
„Ist Geburtstag wie jeder andere. Werde ich einfach jeden Tag einen Tag älter. Man muss das vernünftig sehen. Ich will kein Fest.“ Vesna sieht über meine Schulter, winkt.
Ich drehe mich um, es ist Jana, die auf uns zukommt. Sie sei leider aufgehalten worden, sorry.
„Ich will kein Fest. Wir können essen gehen. Gemütlich. Natürlich mit Jana und Fran“, bekräftigt Vesna.
„Wir planen gerade Vesnas Geburtstag“, erkläre ich Jana. „Deine Mutter will kein Fest.“
„Wir werden essen gehen. Mira Valensky, meine Zwillinge, ich“, wiederholt Vesna.
Jana räuspert sich. „Geht das am Vorabend auch? Ich wollte es dir ohnehin schon sagen: Genau an deinem Geburtstag ist ein total wichtiges Treffen für das kommende Studienjahr.“
„Geht auch am Vorabend“, meint Vesna und wirkt nicht im Geringsten gekränkt. Oder kann sie das bloß gut verbergen?
Vesna erzählt ihrer Tochter kurz, was beim Baumschneiden geschehen ist. Sie glaubt nicht, dass sich der oder die Attentäter tagsüber im Park herumtreiben. Da sei einfach zu viel los, zu viele Menschen, die spazieren gehen. Am Nachmittag habe der Baumschneider einen Auftrag in einer Kastanienallee. Besser, Jana fahre gleich dorthin.
„Habt ihr was über den Tod von Célines Mutter rausgebracht?“, will Jana wissen.
„Wir haben jemand aus ihrer Vergangenheit gefunden. Und wir wissen, dass ihre Jugendliebe vor fünfundzwanzig Jahren ums Leben gekommen ist“, erzähle ich. „Vielleicht wäre es gut gewesen, Céline hätte sich etwas mehr um ihre Mutter gekümmert.“
Jana sieht ihre Mutter an und dann mich. „Kann schon sein, dass Céline ziemlich auf ihre Ausbildung zur Sängerin konzentriert ist. Aber könnt ihr euch nicht vorstellen, warum? Sie will nicht dort landen, wo ihre Mutter gelandet ist. Eine schöne Stimme allein ist viel zu wenig. Man muss etwas daraus machen. Und nebenbei studiert sie ja auch noch Psychologie. Zur Absicherung, falls das mit der Gesangskarriere doch nichts wird. Und natürlich auch weil es sie interessiert. – Tut mir leid, dass ich an deinem Geburtstag nicht kann“, sagt sie zu Vesna.
„Ich verstehe das schon“, erwidert Vesna. „Ich werde nicht einsam sein wie Evelyn, und wenn ich es doch einmal bin, einsam und alt und kaputt …“
Ich lache und klopfe ihr auf die Schulter. „Das kann dir nicht passieren! Du bist ganz anders! Du bist stark!“
Vesna sieht mich ganz seltsam an. „Ist nicht immer leicht, stark zu sein“, sagt sie und beginnt plötzlich zu weinen. Jana sieht sie erschrocken an. „Ich komme an deinem Geburtstag, ich kann absagen.“
Ich nehme meine Freundin in den Arm. Sie schluchzt noch einmal auf und schüttelt mich dann ab. „Blöde Sentimentalität“, knurrt sie. „Diese Rühr-Geschichte mit Sozialhilfeempfängerin und Millionär macht mich ganz dumm im Kopf.“
Ich glaube ja, es ist eher die Geschichte mit Valentin und mit ihrem Geburtstag, die ihr ans Herz geht.
Psychologiestudentin Jana sieht ihre Mutter besorgt an. „Du wirst fünfzig. Vielleicht belastet dich das. Oder … kann es etwa sein, dass du in die Wechseljahre kommst? Da sind Stimmungsschwankungen …“
Vesna schüttelt wütend den Kopf. „Kein Grund, schwachen Moment aufzubauschen zu Lebenskrise. Wir haben eine Menge zu tun. Jana, du musst zu den Kastanien. Bevor da jemand Gelegenheit hat, zu sabotieren. Und ich muss für ungeduldigen Autohändler mit Familie Osthof reden.“
[ 7. ]
Ich habe meine Story über den Radhändler schon einen Tag vor Redaktionsschluss fertig. Ist ja auch keine, die nach Recherche bis zur letzten Minute schreit. Die Praktikantin hat genug Promis ausfindig gemacht, die sich mit Vergnügen auf dem Fahrrad ablichten lassen. Kein Wunder: Radfahren wirkt
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