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Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi

Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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die Mitte geschlungen, offenbar sichert er sich mit einem Seil. Ich werde auch im Zirkus nervös, wenn sie ganz hoch oben turnen. Meine Güte, wenn auch dieser Baum angesägt ist … Aber inzwischen wird er das wohl sehr genau kontrollieren, bevor er auf einen Baum steigt. Er klettert noch höher. Fünfzehn Meter, vielleicht auch achtzehn. In der einen Hand eine knallgelbe Motorsäge, er schwingt sie über seinem Kopf, schneidet einen großen Ast ab. Noch einen. Er erinnert mich an die Serie „Men in Trees“. Aber solche Männer gibt es in Alaska, nicht hier bei uns in Wien. Oder? Plötzlich habe ich das Gefühl, dass sich der Baum zu neigen beginnt. Sicher eine optische Täuschung. Der Riese schaut nach unten, stellt die Motorsäge ab, hängt sie sich rasch über den Rücken, löst das Seil, gleitet ungesichert so schnell wie möglich einige Meter nach unten. Der Baum hat sich tatsächlich geneigt. Ich sehe zu Vesna. Hat sie es bemerkt? Sie ist ein Stück auf den Baum zugerannt, schaut sich um. Nur ein paar Leute, die vorbeigehen und die Vormittagssonne genießen. Der Baum ächzt. „Vorsicht!“, rufe ich einem älteren Mann mit Setter zu. „Weg da!“ Er sieht nach oben und beginnt mit seltsam trippelnden Schritten zu rennen. Der Baumschneider ist nun rund zehn Meter vom Boden entfernt. Er klettert mit affenartiger Geschwindigkeit nach unten, wirft die Motorsäge ab. War er zu schwer für den Baum? Der Stamm hat sicher einen halben Meter im Durchmesser, und er scheint nicht angesägt worden zu sein. Die letzten zwei Meter springt der Baumbär, steht neben dem inzwischen reichlich geneigten Baum. Vesna ist neben ihm. Ich bleibe abseits. Er keucht und deutet auf die Wurzeln. Beide gehen in die Knie, untersuchen das Gras, stehen wieder auf, reden aufeinander ein, Vesna nickt, der Riese hat seine Säge aufgehoben, betrachtet sie, schultert sie und geht davon. Als er um eine Wegbiegung verschwunden ist, kommt Vesna zu mir.
    „Diesmal haben sie Wurzeln angesägt. Er sagt, dieser Baum ist Flachwurzler, sie haben Wurzeln nahe beim Stamm durchgesägt und das Gras wieder darübergetan. Ich habe leider niemand gesehen.“
    „Wer tut so etwas?“
    Vesna zuckt mit den Schultern. „Konkurrenz. Er ist der Beste. Er bekommt viele Aufträge von Stadt Wien. Er braucht keinen Kran und all so was. Nur Mut. Er bekommt Drohungen, dass er das nicht machen soll.“
    „Es kann doch nicht so viele geben, die im Baumschneidegeschäft sind“, meine ich. Mir schaudert allein bei dem Gedanken, so hoch oben auf Bäumen herumzuturnen.
    „Sind schon einige. Außerdem: Er ist Ein-Mann-Firma, er kann nicht zur Polizei nur auf Verdacht hin. Könnte eine Menge Klagen bekommen, wenn es keine Beweise gibt. Ich werde Täter schon finden. Hätte eben gestern Nacht im Park sein sollen, war ich aber nicht. War ich schick essen mit Valentin.“ Sie verzieht das Gesicht. „Wäre besser gewesen, ich hätte auf Bäume aufgepasst.“
    „Abendessen zu zweit“, sage ich, „klingt doch gut.“ Wir waren gestern zu dritt. Hoffentlich hat Valentin ihr nicht erzählt, dass ich ihn auf die Idee gebracht habe.
    „Tja. Er hat sogar Meeting vorzeitig verlassen. Und er war sehr aufmerksam. Zu viel aufmerksam, wenn du verstehst.“
    „Zu viel?“
    „Ist verdächtig. Und dann hat er mir auch noch das hier geschenkt.“ Vesna fummelt in ihrer Overalltasche, zieht schließlich einen goldenen Armreif heraus. Schlicht, edel, teuer.
    „Ist von Tiffany“, murmelt Vesna. „So was verschenken Männer, die schlechtes Gewissen haben. Tiffany. Bin ich nicht Audrey Hepburn, oder?“
    „Ich würde mich darüber freuen. Ich glaube, du täuschst dich in Valentin. Er wollte dir einfach eine Freude machen, dir zeigen, wie sehr er dich mag, auch wenn er momentan nicht so viel Zeit hat.“
    Vesna sieht mich an. „Ihr habt miteinander geredet?“
    „Du steckst zu sehr in deiner Arbeit“, versuche ich abzulenken. „Kein Wunder bei deinem Job, dass man misstrauisch wird. Wenn sie sogar einem Baumschneider die Wurzeln ansägen.“
    „Ist guter Typ“, erzählt Vesna. „Hatte gemeinsam mit Zweitem eine kleine Spedition, die ist aber eingegangen. War immer gern bergsteigen, hat Baumschneiden gelernt und jetzt neues Geschäft. Weißt du, was er gesagt hat? ‚Mut kann man nicht kaufen, und das ist gut so. Sonst hätten ihn wieder die, die schon alles haben.‘ Hat mir gefallen.“
    Eine Aussage, die auch auf Vesna passt. Und ein neuer Unternehmer, der gut in meine Serie

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