Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi

Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
Vom Netzwerk:
meinen Blick und meint: „Ein blauer Fleck, das wird nicht mehr als ein blauer Fleck. Man schaut eben besser genau hin, bevor man jemandem die Pistole in den Rücken drückt.“
    „Was hätten Sie getan, wenn ich wirklich ein Einbrecher gewesen wäre?“
    „Ich hätte Sie festgehalten und die Polizei gerufen. Und wenn Sie versucht hätten zu fliehen, hätte ich geschossen. Ist nicht tödlich, tut aber ganz schön weh. Zum Stoppen reicht’s.“
    „Einbrecher arbeiten selten alleine“, gebe ich zu bedenken.
    „Ich dachte an einen Kundschafter. Ich wäre einfach nicht auf die Idee gekommen, dass es eine Frau sein könnte. Sie sind groß. Sie haben kurze Haare. Sie tragen Hosen und eine Windjacke. Ich hab Sie nicht erkannt.“
    Der Himbeerbrand ist wirklich vorzüglich. Ich merke, wie sich Herz und Nerven beruhigen. „Hat Evelyn Ihnen gegenüber jemals etwas von einem ‚Gewinn‘ gesagt?“
    Die Postlerin schüttelt den Kopf. „Sehr häufig hab ich nicht mit ihr geredet. Hab gegrüßt, die Post irgendwohin gelegt, sie ist vor dem Fernseher gesessen und hat nicht einmal aufgesehen. Meist hat sie eh nur Reklamesendungen bekommen, die habe ich einfach an die Tür gelehnt. Wenn der Regen nicht von Norden gekommen ist, hat der Türvorsprung gereicht, damit sie nicht nass wurden. Frau Maier hat sich die Reklameprospekte gerne angesehen.“
    „Sie war in den letzten Tagen, in den letzten Wochen nicht verändert?“
    „Nein, zumindest habe ich nichts davon bemerkt. Vielleicht hatte sie Angst, der Gerichtsvollzieher könnte ihr den Fernseher oder die Satellitenanlage wegnehmen. Das wäre ganz schlimm für sie gewesen. Also hat sie ihm etwas von einem Gewinn erzählt, um ihn hinzuhalten.“
    Ja, so könnte es tatsächlich gewesen sein.
    „Schon traurig, wenn jemand nur noch vor dem Fernseher lebt“, fügt die Postbeamtin hinzu und schaut nachdenklich auf den großen Flat-TV, der auf einem niedrigen Tischchen vor der Einbauwand steht. Der Platz, der in der weißen Schranklandschaft offensichtlich für den Fernseher vorgesehen war, ist zu klein. „Einmal, es ist noch nicht lange her, ist gerade eine Soap gelaufen, ‚Reich und Schön‘ oder so, da hat sie zu mir gesagt: ‚Ob ich noch einmal schön werde, weiß ich nicht.‘ “
    „Hat sie auch etwas von ‚reich‘ gesagt?“
    Die Postbotin schüttelt den Kopf. „Ganz sicher nicht. Nur dass sich in diesen Soaps total Unglaubliches ereigne. Wie im Leben. Ich war in erster Linie erstaunt, weil sie sonst so gut wie nie etwas gesagt hat. Außer ‚danke‘ und ‚auf Wiedersehen‘.“
    Céline trägt einen Schal. So kalt ist es doch noch gar nicht. Sie bemerkt meinen Blick. „Gesangsstunden zu geben nimmt mich deutlich mehr mit, als wenn ich selbst singe.“ Wir stehen an einer Schnellbahnstation, vor dem Kebabstand einige türkische Jugendliche, die laut lachen und Bier trinken. Die Station liegt für mich günstig auf dem Weg Richtung Wiener Innenstadt, und Céline kann von hier aus heimfahren. Es ist halb elf am Abend.
    „Warum tust du es dann?“, frage ich und komme mir im selben Moment dumm vor.
    „Weil ich von irgendetwas leben muss. Und es gibt zum Glück genug Menschen, die singen lernen wollen.“ Sie seufzt. „Allerdings ganz unabhängig davon, ob sie Talent haben.“
    „Als du die letzten Male mit deiner Mutter Kontakt hattest: War sie da irgendwie anders? Fröhlicher?“
    Céline sieht mich erstaunt an. „Fröhlicher? Sicher nicht. Sie war wie immer. Ich habe ihr erzählt, was ich mache, und sie hat gesagt, ich soll nur so weitertun, sie sei stolz auf mich.“
    „Wann warst du das letzte Mal bei ihr?“
    Céline schweigt, dann sagt sie beinahe trotzig: „Im Juli.“
    „Aber … telefoniert habt ihr schon häufiger?“
    „Natürlich. Ich habe sie mindestens einmal in der Woche, am Freitag gegen Abend, angerufen. Manchmal auch zwischendurch. Warum hätte sie fröhlicher sein sollen?“
    Ich will sie nicht beeinflussen, ich frage weiter: „Hat sie manchmal über eine bessere Zukunft fantasiert? Wie es wäre, reich und schön zu sein?“
    Céline lacht traurig. „Sie hat sich alle diese Serien angesehen, sie hatte ja sonst nicht viel zu tun. Früher hat sie manchmal davon erzählt, dass sie schön und das Leben damals ganz wunderbar gewesen war. Als sie in dieser Band gespielt hat. Aber es ist Jahre her, dass sie davon zum letzten Mal geredet hat.“ Céline denkt nach. „Hin und wieder hat sie schon fantasiert. ‚Line, bald zahle ich dir die

Weitere Kostenlose Bücher