Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi
wieder dichtmachen. „Der Kellner hat das Lokal übernommen. Er hat alles ein wenig schlichter angelegt, aber gleich gut. Eine der beiden Köchinnen ist seine Frau. So funktioniert es. Familienbetrieb. Das spart Lohnkosten.“
Meine fünf Minuten sind eigentlich schon um, Droch wartet an einem Tisch im hinteren Teil des Raumes. Aber wenn Zuckerbrot plaudern will, sollte ich ihn wohl lieber nicht unterbrechen.
„Sie wollten mir etwas sagen“, kommt Zuckerbrot nun doch zum Thema.
„Es hat noch einmal mit Evelyn Maier zu tun. Haben Sie ihre Kontobewegungen überprüft?“
„Warum?“, will der Leiter der Mordkommission wissen.
Ich sehe ihn bittend an.
„Information gegen Information“, sagt Zuckerbrot.
„Es könnte sein … dass sie in den letzten Wochen zu Geld gekommen ist.“
„Wer sollte ihr Geld gegeben haben?“
„War irgendetwas Außergewöhnliches auf ihrem Konto festzustellen?“
Der Chef der Mordkommission sieht mich an. „Sie hatte gar kein Konto.“
„Wie bitte? Das geht? Das gibt es?“
„Banken mögen es nicht, wenn Menschen Schulden haben“, sagt Zuckerbrot. „Wo leben Sie eigentlich?“
„Ich dachte … weil sie ja Sozialhilfe bekommen hat …“
„Die wird auch bar ausbezahlt. Es gehört zu unseren Routinechecks bei plötzlichen Todesfällen: Wir prüfen, ob jemand ein Konto hatte. Mehr können wir nicht tun ohne konkreten Verdacht. Die Kollegen in Niederösterreich haben es kontrolliert: Kein Konto.“
Ich erzähle Zuckerbrot von unserer neuen Spur.
„Ein Lottogewinn? Halte ich für unwahrscheinlich. Es wäre in ihrer Umgebung etwas vom Geld aufgetaucht. Die können alle nicht mit Geld umgehen, also geben sie es aus. Ist nun mal so.“
„Céline ist nicht so“, verteidige ich Evelyns Tochter und mir wird gleichzeitig klar, dass ich sie damit eigentlich in Verdacht bringe. „Ist allerdings absurd, dass sie das Geld haben sollte. – Lässt sich das mit dem Lottogewinn nicht bei der Lottogesellschaft überprüfen? Sie haben die Namen der Großgewinner.“
„Und die sind streng geheim. Auch uns gegenüber.“
„Bei Mord? Wenn, nehmen wir einmal an, der Sohn oder die Cousine mit dem Lottoschein gekommen wäre und sich einen Millionengewinn hätte auszahlen lassen?“
„Um den Namen eines Lottogewinners zu erfahren, brauchen wir einen begründeten Verdacht“, erklärt Zuckerbrot.
„Und? Haben wir den nicht?“
Er schüttelt den Kopf. „Wir können nicht so einfach drauflosermitteln und spekulieren wie Journalistinnen oder …“, er grinst ein wenig, „… Reinigungsfachkräfte. Da würde sich die Öffentlichkeit zu Recht beschweren. Außerdem: Wenn der Lottogesellschaft etwas verdächtig vorkommt, dann meldet sie das.“
„Die wissen ja nicht, wer den Schein ursprünglich hatte.“
Zuckerbrot sieht mich beinahe sanft an. „Diese Evelyn hat auch in den letzten Wochen nicht so gewirkt, als würde sie in Geld schwimmen, oder?“
„Und wenn ihr jemand den Schein geklaut hat?“, werfe ich ein.
„Dann wäre wohl sogar sie zur Polizei gegangen.“
„Und wenn man sie eben genau deswegen gegen den Eisenofen gestoßen hat? Damit sie nicht zur Polizei gehen kann?“
Zuckerbrot sieht hinüber zu Droch. „Wenn ich recht verstanden habe, dann hat sie nie von einem Lottogewinn gesprochen, nur ganz allgemein von einem Gewinn. Und davon, dass ihre Tochter ein Weltstar würde. Kann doch sein, dass sie auf die Idee gekommen ist, dass ihre Tochter bald den großen Durchbruch schafft und dass dann auch für sie alles anders wird.“
Kann sein. Klingt eigentlich ziemlich logisch. Ach, ehe ich es vergesse: Ich frage Zuckerbrot nach meinem Mobiltelefon und er sagt: „Zu viel telefonieren soll ohnehin ungesund sein.“ Ich habe es gewusst. Immerhin verspricht er mir, nachzufragen, wo es geblieben ist und ob es schon auf Spuren überprüft wurde.
Ich trabe mit knurrendem Magen vom 9. Bezirk zurück in die Innenstadt. Die beiden hätten mich ruhig an ihren Tisch bitten können. Wie wäre es, wenn ich Oskar in seiner Kanzlei überrasche? Vielleicht hat er etwas Zeit und wir gehen auf ein schnelles Mittagessen. Oder er hat mehr Zeit und wir gönnen uns einen schönen Nachmittag. Das Wetter hat aufgeklart. Wir könnten ein Picknick auf unserer Terrasse machen. Nachmittagssonne, nur wir zwei, endlich Zeit füreinander … Ich könnte den flauschigen Teppich aus dem Schlafzimmer auf die Terrasse holen … Es läutet. Nervtötender Ton. Ich sehe auf das Display. Vesna. Ich
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