Evelyns Fall - ein Mira-Valensky-Krimi
Alarmanlage, und endlich – es ist das Erste, woraus ich schließen kann, dass Oskar nicht vergessen hat, warum er eigentlich im Autohaus ist –: „Wahrscheinlich ist es in Zeiten wie diesen gar nicht mehr so einfach, solche Autos an den Mann zu bringen, oder?“
Wir hören Tobler ein Autoverkäuferlachen lachen. „Sie meinen, die gibt es jetzt billiger? Nein, oder nur im Einzelfall. Wir bekommen das eine oder andere Stück günstiger herein, es gibt Leute, die verkaufen müssen, den Preisvorteil geben wir dann selbstverständlich an unsere Kunden weiter. Der Chrysler Imperial ist genau so ein Fall. Wir verkaufen ihn um dreiunddreißigtausend Euro. Das geht, oder?“
„Für ein Spielzeug immer noch ganz schön teuer“, antwortet Oskar. Und ob er nicht doch noch den Mustang sehen könne? Man hört Schritte, Hintergrundmusik, nicht zuordenbare Geräusche.
„Oskar macht sehr gut“, lobt Vesna. „Ich glaube fast, er kauft wirklich ein Auto.“
„Du liebe Güte, er fährt doch schon mit seinem Volvo fast nie. Außerdem soll er sich nicht so viel Zeit lassen“, erwidere ich.
„Es handelt sich hier um ein Super Sport Coupé der neuesten Generation“, doziert Tobler liebevoll. „Ich hab nur einen einzigen davon, ich hab schon überlegt, den Wagen selbst zu nehmen. Großartiges Retrodesign und technisch top. 4,9-Liter-Maschine, Achtzylinder, natürlich Einspritzmotor, 305 PS. Fünf-Stufen-Automatikgetriebe mit Overdrive und Wandlersperre, geschwindigkeitsabhängige Servolenkung, Servobremsen mit ABS-System – oder interessieren Sie die technischen Details weniger?“
Oskar dürfte entsprechend dreingesehen haben. „Klingt jedenfalls eindrucksvoll. Von einem Freund habe ich gehört, Sie fahren selbst einen Maybach.“
Wir neigen beide den Kopf näher zu Vesnas Telefon. Ein rascher Blick nach draußen. Nein, wir scheinen keinen zu interessieren. Das Freigelände, auf dem die günstigeren Autos verkauft werden, ist bereits ruhig und verlassen, die wenigen Menschen, die auf dem Gehsteig an uns vorbeikommen, haben anderes zu tun, als sich über zwei mittelalte Frauen mit Schirmkappe und Sonnenbrille zu wundern.
„Tatsächlich?“ Tobler geht hörbar auf Distanz.
„Soll großartige Fahreigenschaften haben“, ergänzt Oskar.
„Ich habe einige Autos. Privat. Interessiert Sie der Mustang oder soll ich Ihnen noch etwas anderes zeigen? Unsere Geschäftszeit ist eigentlich seit einer halben Stunde zu Ende …“
Oskar lacht unsicher. „Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Wer einen Maybach fährt, ist keiner, der mit einem Luxusauto protzen will. Tja, ich könnte mir keinen leisten, im Moment. Ich gebe es zu, die Quartalszahlen eines Wirtschaftsanwaltes sind momentan auch nicht die, die sie schon waren.“
Was total gelogen ist. Ich weiß, dass Oskar mit der Fusion deutlich mehr verdient als sonst. Merke, Mira: Wenn es notwendig ist, kann Oskar lügen. – Aber wer nicht? Für einen Heiligen habe ich ihn schon bisher nicht gehalten. Wäre auch ziemlich langweilig, mit so einem zu leben.
„Ich kann nicht klagen“, erwidert Tobler trocken. „Der Mustang kostet, so wie er da steht, übrigens ohnehin nur ein Zehntel von einem Maybach.“
„Fünfzigtausend?“, fragt Oskar.
„Fünfundfünfzigtausend“, kommt es etwas verschwommen, aber deutlich hörbar zurück. „Wenn Sie etwas wirklich Ausgefallenes wollen, habe ich auch noch einen Manta Mirage Can Am an der Hand, mit Türen, die seitlich nach oben aufgehen. Sammlerstück, fabriksneu, ein 1984er Baujahr. Um sensationelle vierundvierzigtausend.“
Noch nie von so einem Ding gehört.
„Kenne nur Opel Manta und das ist ganz sicher ein Auto für Fahrer mit Hut“, zischt mir Vesna zu.
Ich habe den finsteren Verdacht, dass sich Tobler nicht so einfach aushorchen lässt, wie wir uns das vorgestellt haben.
„Ich hatte vor Kurzem mit einem Autohändler in Frankfurt zu tun, da hat meine Partnerkanzlei noch gerade einen Konkurs abwenden können. Das Problem bei diesem Händler war nicht nur, dass er zu viel auf Kredit gekauft hatte, sondern auch, dass er zwei Teilhaber hatte und die …“
„Deswegen kaufe ich auch nie auf Kredit. Und ich habe keine Teilhaber. – Was wollen Sie eigentlich? Ein Auto oder meine Firma?“
Vesna und ich ziehen unwillkürlich den Kopf ein.
Oskar lacht. „Tut mir leid, ist mir nur so eingefallen. Außerdem will man ja kein Auto kaufen, auf dem womöglich Kredite sind.“
„Sie sollten eigentlich wissen, dass
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